Fank P. Neuhaus - Spezialist für Brasilien mit Sitz in São Paulo

Sie Sind ein Unternehmen der Zulieferindustrie in Brasilien. Was denken Sie, wenn Sie diese Überschrift lesen?

Langsam! Schauen wir uns zuerst einmal die grundsätzlichen Daten der Gesamtproduktion an (in Mio. Einheiten):

2011 3.144

2013 3.490

2016 2.080

2019 2.804

2020 1,160 (Januar bis August 2020)

Die Fahrzeugproduktion lag im August mit 210.900 Einheiten um 22% unter der des Vorjahresmonats. In diesem Jahr produzierten die Automobilhersteller 1,1 Millionen Autos, Lastwagen und Busse  – 900.000 weniger als im gleichen Zeitraum 2019.

Bei diesen hohen, ungenutzten Kapazitäten weiten die Hersteller ihre Personalabbauprogramme aus. Man muß davon ausgehen, dass sich diese Programme in den kommenden Wochen intensivieren, da einige größere Massnahmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht publiziert wurden und nur als Gerüchte in der Industrie zirkulieren.

Nach Angaben des nationalen Verbandes der Automobilhersteller (Anfavea), sei eine Art von „Point of no Return" erreicht und unvermeidlich, signifikant und dauerhaft Personal abzubauen.

Der Sektor hat im Zuge der Pandemie bereits 4.100 Stellen seit März 2020 abgebaut. In den acht Monaten dieses Jahres gingen die Verkäufe um 35% auf 1,16 Millionen Einheiten und die Exporte um 41,3% auf 177.000 Einheiten zurück.

Der massive Exporteinbruch verwundert auf den ersten Blick sehr, da der Real massiv abgewertet hatte. Allerdings hatte sich die Abwertung nicht in signifikanten Preisreduktionen niedergeschlagen, da der Anteil der Importkomponenten überproportional in der Produktkalkulation an Gewicht gewinnt und die Preise um bis zu 10% angepasst werden mußten. Diese Preisanpassung ist noch immer nicht ausreichend, so dass nun ganze Modelllinien davon bedroht sind, komplett eingestellt werden zu müssen.

Seitens der Zentralbank Brasiliens ist auch keine Hilfe zu erwarten, da massive Zinssenkungen die Landeswährung unter erheblichen weiteren Abwertungsdruck setzen.

In der kommenden Woche sollte das Ergebnis der Verhandlungen von Volkswagen do Brasil mit den Gewerkschaften der vier nationalen Fabriken bekannt gegeben werden. Das Ziel des Konzerns ist es, einen Reduktion von 35% der Arbeitskräfte zu erreichen: Das sind etwa 5.000 Mitarbeiter.

Die Produktion des Unternehmens sank um 44% in 2019, was gerade mal einer Produktion von 186.000 Fahrzeugen entspricht. Der Rückgang liegt für die großen europäischen und nordamerikanischen Hersteller auf gleichem Niveau. Über die Situation der asiatischen Hersteller aus Japan, Korea und China habe ich keine robusten eigenen Informationen.

Damit operiert VW do Brasil mit ca. 43% der aktuell installierten Gesamtkapazität.

Ist diese Situation nun temporär oder wovon sollte man als Unternehmer im Land, aktiv in der Automobilindustrie, ausgehen?

Noch vor wenigen Monaten wurde öffentlich immer eine große Hoffnung zum Ausdruck gebracht, in kleineren Kreisen war die Erwartung allerdings damals schon gering. Nun kann man feststellen, dass Hoffnung und Erwartung scheinbar ausbalanciert werden:

VW do Brasil bringt es wohl als erster öffentlich auf den Punkt: Man geht für die kommenden fünf Jahre nicht von einer signifikanten Erholung aus. Das wird massive Auswirkungen in der gesamten Wertschöpfungskette des Industriesektors haben.

Es lässt sich beobachten, dass viele mittelgroße im Land installierte Lieferanten, seien es brasilianische oder ausländische Unternehmen, bisher nicht durchgreifend auf diese Situation reagieren. Das gilt ganz besonders für Unternehmen aus Nordeuropa.

Speziell deutsch-sprachige Unternehmen hatten seit der Finanzkrise 2008/09 ihre brasilianischen Niederlassungen nicht wirklich aktiv geführt und zumeist nach China und/oder Osteuropa geschaut. Brasilien „lief so mit". Niedrige Zinsen machen es den Mutterhäusern ausgesprochen leicht, benötigte Kreditlinien der Hausbanken zu erhalten, um die Liquidität in Brasilien monatlich sicherzustellen.

Wir haben mit iManagementBrazil seit 2014 zahlreiche Reorganisationsprojekte in diesem Sektor durchgeführt. In vielen Fällen scheuten sich Familienunternehmen aus der Region DACH, wirklich durchzugreifen. Regelmäßig hatten wir daher entsprechende Going Concern" Reports zu erstellen, um den Hausbanken der Unternehmen in DACH die notwendige Argumentation an die Hand zu geben, Kreditlinien großzügig weiter zuführen. Es wären Restrukturierungen notwendig gewesen.

Heute diskutiert man sogenannte Zombie-Unternehmen. Aber sie sind nicht heute entstanden.

Ob es zu spät ist, muß jeder selbst beurteilen. Aber viel Raum für Manöver gibt es wirklich nicht mehr.

Frank P. Neuhaus
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