DIE AUSGANGSSITUATION

Die Annehmlichkeiten langjähriger Lieferantenbeziehungen

Gerade für Zeichnungsteile werden häufig (regional ansässige) Firmen als alleinige Lieferanten über Jahre hin beauftragt. Man kennt sich, die Qualität ist in Ordnung, der Lieferant weiß auch ohne die letzte technischen Angaben in der Zeichnung (z.B. Oberflächengüte) genau, was er zu fertigen hat.

Die Motivation, diese Warengruppe über globale Neuausschreibungen zu benchmarken, vor allem aber, neue Lieferanten zu qualifizieren, zu auditieren und anzulegen, hält sich in Grenzen. Der Einkauf argumentiert häufig mit nicht darstellbarem Ressourceneinsatz, Qualitäts- und Versorgungsrisiken. Die Konstruktion scheut den Aufwand zur „Vervollständigung" von technischen Zeichnungen und Vorgaben für ein geeignetes RFQ. Die Qualitätssicherung sieht einen erhöhten Prüfaufwand im Wareneingang für nicht realisierbar.

Dabei lassen Erfahrungswerte bei der internationalen Ausschreibung von Teilen mit Metallbearbeitung auf großes Einsparungspotenzial hoffen.

Die unterschätzten Risiken bei Single-Source-Beziehungen

Versorgungsrisiko

Das Versorgungsrisiko bei Single-Source-Lieferantenbeziehungen wird regelmäßig unterschätzt. Die Insolvenz eines exklusiven Vormaterial- oder Komponenten-Herstellers kann zu enormen Problemen führen, da die Supply Chain – und damit die Produktionsprozesse – enorm gestört werden können. Eigene Liefertermine drohen sich zu verzögern und führen im worst case durch hohe Strafzahlungen zu einer Ergebniskrise. Die Suche nach Alternativlieferanten in einer solchen Situation erweist sich aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit in der Regel als sehr schwierig.

Technische Abhängigkeiten

Natürlich ist es sehr bequem, (regional ansässige) Firmen als alleinige Lieferanten über Jahre hinweg zu beauftragten. Man kennt sich. Die Qualität ist in Ordnung. Der Lieferant weiß, was er zu liefern hat: quasi auf Zuruf. Gerade bei den oft recht komplexen Zeichnungsteilen ist das eine enorme Arbeitserleichterung. Derart eingespielte Lieferketten bergen aber das Risiko, technische Abhängigkeiten in der Lieferantenbeziehung zu übersehen. Beispielsweise habe ich es in meinen Mandaten immer wieder erlebt, dass der Auftraggeber weder über detaillierte Zeichnungen wichtiger Produkte verfügte, geschweige denn über eine vollständige Dokumentation.

Preisabhängigkeiten

Letztlich führt die technische Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten auch zu einer Preisabhängigkeit. Die Jahresverhandlungen mit diesen Lieferanten beschränken sich dann häufig auf die Abwehr von Preiserhöhungen. Vergleichsangebote gibt es ja nicht.

Also, was ist zu tun, um zum einen den verborgenen Schatz im Saving-See zu heben und zum anderen die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten aufzulösen?

DIE LÖSUNG

Unzulängliche Zeichnungen und Stücklisten vervollständigen

Gerade bei Zeichnungsteilen stelle ich häufig fest, dass nur unvollständige Dokumente vorliegen. Der langjährige Lieferant weiß ja, was er wie zu fertigen hat, auch wenn die Zeichnungen nicht alle Informationen, z.B. bzgl. Materialgüten, Oberflächengüten oder Passungen enthalten. Die Konstruktion wiederum scheut den Aufwand zur „Vervollständigung" von technischen Zeichnungen und Vorgaben, die für eine detaillierte Lieferantenanfrage erforderlich sind.

Dennoch ist die Erstellung vollständiger Bauteildokumente unerlässlich für eine Ausschreibung – und sei es nur, um die aktuellen Beschaffungskosten zu benchmarken. In Ergänzung zu der eigentlichen Bemaßung in den technischen Zeichnungen sollte hierbei unbedingt die Kennzeichnung von Prüfmaßen erfolgen. Dies erlaubt später eine zielgerichtete und effiziente Qualitätskontrolle im Unternehmen, aber auch beim Lieferanten, von dem darüber ein digital abgeleitetes Prüfprotokoll für den Warenausgang angefordert werden kann.

Durch schrittweises und effizientes Vorgehen beim Sourcing Zeit sparen

Bei der internationalen Recherche nach potenziellen Lieferanten stößt man immer wieder auf Unternehmen, welche die gefragte Dienstleistung zwar auf ihrer Website aufgeführt haben, diese allerdings nicht unbedingt der Kernkompetenz oder dem Geschäftsmodell entspricht.

Um bereits in einem frühen Stadium die Spreu vom Weizen zu trennen, empfehle ich, zunächst eine Auswahl von z.B. 10 „repräsentativen" Zeichnungsteilen und/oder Baugruppen zu treffen, die unterschiedliche Fertigungs-Anforderungen an den Lieferanten stellen. Diese ausgewählten Teile können in einer Anfrage-Matrix über allgemeine Angaben zu Material, Bearbeitungsschritten, Abmessungen und Jahresbedarf beschrieben und durch eine 3D-Skizze oder Foto ergänzt ergänzt werden.

Die so erstellte Matrix kann gerne an einen relativ breiten Kreis von potenziellen, internationalen Lieferanten versandt werden. Dabei ist abzufragen, für welche der dargestellten Zeichnungsteile und Baugruppen aus technischer Sicht, aber auch in Hinblick auf die Jahresbedarfe, Interesse zur Belieferung seitens der angeschriebenen Lieferanten besteht. Zudem ist die Unterzeichnung eines NDA einzufordern.

Je nach Qualität der Rückmeldung der Lieferanten und der Kommunikation ist eine erste Eingrenzung geeigneter Lieferanten möglich. Aus einer Long List wird eine eine Short List.

Erst wenn ein angeschriebener Lieferant sein Interesse für die Belieferung einer oder mehrerer Zeichnungsteile oder Baugruppen bekundet und die geforderte NDA unterzeichnet hat, sollten konkrete Requests for Quotation (RFQs) zur Abgabe von detaillierte Angeboten versendet werden. Erst dann ist auch die Übermittlung von technischen Daten und teils speicherintensiven CAD-fähigen Zeichnungen sowie Stücklisten sinnvoll.

Sonderthema: Logistikkosten beim Angebotsvergleich beachten

Trotz der Angabe der Incoterms DDP – also frei Haus – im RFQ kommt es erfahrungsgemäß immer wieder zu Angebotspreisen EXW oder FOB. Zur realistischen Gegenüberstellung und Bewertung der eingehenden Angebote sind aber auch Logistik- und Transport- oder Zollkosten zu berücksichtigen. Um diese Kosten entsprechend einzukalkulieren, können in erster Näherung Richtwerte von Speditionen in Abhängigkeit von Herkunftsland oder Entfernung, Losgewicht und Losvolumen angesetzt werden.

Erst danach ist ein echter Vergleich der eingegangenen Angebote möglich. Aus der Short List kann nun eine finale Auswahl von Lieferanten erfolgen, mit denen man in konkrete Verhandlungen tritt.

Das Onboarding: Kaufen Sie nicht die Katze im Sack!

Sind die offenen (technischen) Fragen der ausgewählten Best-Price Lieferanten geklärt und die ersten Preisverhandlungen geführt, so gilt es nun, die Angaben und versprochenen Leistungen zu überprüfen, um keine Überraschungen zu erleben.

Hierzu gehören die klassischen Prüfungen bzgl. Bonität, Bilanzentwicklung oder Kundenreferenzen, die relativ leicht zu beschaffen sind.

Aufwändiger wird es bei vor-Ort-Audits beim Lieferanten. Gerade bei neuen internationalen Lieferanten ist diese Maßnahme mit einem relativ hohen Reise- und Personal-Aufwand verbunden. Ich empfehle, alternativ die Prüfung durch – im Lieferantenland regional ansässige – Dienstleister zu beauftragen, die häufig als Dependancen deutscher oder internationaler Auditierungs-Unternehmen anzutreffen sind. Diese können sowohl für eine Erst-Auditierung, wie auch für turnusmäßige Wiederholungs-Audits eingesetzt werden.

Das Ergebnis

Mit einem strukturierten, effizienten und globalen Sourcing-Projekt können relativ kurzfristig sehr viele potenzielle internationale Lieferanten für eine Long List identifiziert werden. Durch das beschriebene Screening-Verfahren erstellt sich daraus eine Short List von selbst und erlaubt auf Basis der eingehenden Angebote eine effiziente und zielorientierte Auswahl von Lieferanten für finale Qualifizierungen und Verhandlungen.

Als allgemeine Faustregel bei der Produktion von Teilen mit Metallbearbeitung gelten durchschnittliche Fertigungskosten pro kg nach bevorzugten Regionen:

-  Deutschland: 7,- €/kg

-  Osteuropa: 4,- €/kg

-  Asien: 3,- €/kg

Erfahrungsgemäß liegt das Einsparungs-Potenzial bei einer solchen Sourcing-Aktion bei 20% oder mehr – bezogen auf die bisherigen Beschaffungskosten.

Belieferungen aus Osteuropa gelten mittlerweile als recht stabil, insbesondere, wenn der Lieferant bereits Geschäftsbeziehungen zu (großen) deutschen Unternehmen als Referenz nachweisen kann. In vielen Fällen ist hierbei auch eine Kommunikation in deutscher Sprache möglich.

Das Onboarding von asiatischen Lieferanten ist naturgemäß aufwändiger und risikobehafteter. Trotzdem kann eine Belieferung aus Asien durchaus kostenbezogen interessant sein, dann aber vor allem bei größeren Stückzahlen, wo eine höhere und kontinuierliche Qualität der Teile aber auch der Lieferungen erzielt werden kann.

Und nun – viel Erfolg beim Kosten Sparen!

Herbert Baumann
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