In Zeiten der Corona Pandemie ist die Homeoffice-Lösung als ein Teil der agilen Arbeitsmodelle stante pede nach vorne katapultiert worden. Unter normalen Umständen hätte es tiefgreifender Change-Maßnahmen mit kulturverändernden Elementen für die Führungsmannschaft bedurft. Genau, für Führungskulturen, die ein nachfrageseitiges Abwarten erlaubt haben! Top-down können Rahmenparameter für New Work, Work 4.0 und agile Arbeitsmethoden von der Unternehmensführung für die spezifischen Belange gestaltet werden. Tun sie dies nicht, dann geschieht es bottom-up. Aktuell gestaltet die Corona Pandemie ihre People-Strategie – evolutorisch, d.h. im Sinne des „survival of the fittest". Dies eröffnet Chancen, wenn sie diese jetzt aufgreifen können und Risken (wie z.B. den oft zitierten Leistungseinbruch), die richtig begrenzt werden müssen.

In kürzester Zeit werden aktuell Regelungsabreden und Betriebsvereinbarung zu Telearbeit oder mobiler Arbeit abgeschlossen. Eine Umfrage des Digitalverbandes Bitkom[1], die zwischen dem 11. und 15. März 2020 durchgeführt wurde, ergab, dass viele Arbeitgeber verstärkt auf ortsunabhängiges Arbeiten gesetzt haben. Bei jedem dritten Berufstätigen (33 Prozent) wurde erstmals Homeoffice eingeführt, bei 43 Prozent wurden bestehende Homeoffice-Regelungen durch den Arbeitgeber ausgeweitet. Bei 45 Prozent der Berufstätigen ersetzen Telefon- und Webkonferenzen die bisherigen Treffen mit persönlicher Anwesenheit.

Noch im November 2019 erfasste der IAB Kurzbericht[2], dass etwa zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland, die bisher nicht von zu Hause arbeiteten, dies auch nicht wünschen. Die Hälfte der Beschäftigten mit Homeoffice sahen darin den Vorteil einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, beinahe ebenso viele berichteten von Problemen bei der Trennung zwischen beidem. Jedoch hatte auch jeder neunte Beschäftigte einen unerfüllten Homeoffice-Wunsch und nach eigener Einschätzung eine dafür geeignete Tätigkeit. Die Mehrheit derjenigen, die Homeoffice nutzen, arbeiten allerdings ausschließlich stundenweise von zuhause. Damit wird deutlich, dass „one-size-fits-all" für die Arbeitnehmer nicht zur Zufriedenheit führen wird.

Demnach kann die Gewährung der Homeoffice-Möglichkeit mit beidseitiger Freiwilligkeit zu einem Employee Value Proposition (EVP) des Arbeitgebers für spezifische Berufssegmente entwickelt werden. Die damit einhergehenden Benefits für die Mitarbeiter sind in vielen Unternehmen bisher nur als Kosten für Telearbeit (z.B. Telefonkosten, Arbeitstisch, Laptop) verbucht worden und werden nicht entsprechend der Maxime einer Steigerung der EVP als Alleinstellungsmerkmal im Markt zum Attrahieren und Binden ihrer Leistungsträger gestaltet. Mit der aktuellen Gesetzesinitiative des Arbeitsministers Hubertus Heil zum Homeoffice wird die unternehmerische Gestaltung zur Verstärkung des EVP notwendig. Es ist schon lange ein relevantes Entscheidungskriterium für oder gegen bestimmte Arbeitgeber, insbesondere für die gesuchten Talente und Kompetenzträger.

Die globale Arbeitswelt hat einen noch nie dagewesenen Test zur mobilen und virtuellen Zusammenarbeit im Allgemeinen und in Form des Homeoffice im Besonderen durchgeführt. Versäumen Sie nicht, die Erkenntnisse des nun ungeplant stattfindenden Piloten „Homeoffice" mit den Mitarbeitern zu reflektieren und entwickeln Sie die betrieblichen Parameter[3] für Ihre HR-Zukunftsstrategie 2025 weiter.

Führen Sie pragmatisch aufgesetzte Lessons Learned-Workshops (gerne virtuell) zum Thema Homeoffice durch, um Ihre bestehende betriebliche Regelung zu reflektieren oder zu verbessern, insbesondere für ausgewählte Mitarbeitergruppen in den relevanten Berufssegmenten.

Wie können Sie in den nächsten Wochen effizient die Erkenntnisse für die Weiterentwicklung Ihres Unternehmens nutzen? Ich empfehle folgende Schritte:

1) Setzen Sie eine Mitarbeiterbefragung auf mit dem Ziel des Erkenntnisgewinns über die Erfahrungen zur Qualität und Effektivität der Zusammenarbeit in 2021. Diese sollte besser zeitnah stattfinden und kann eher offene Antwortmöglichkeiten zur Verfügung stellen.

2) Führen Sie die Ergebnisse zusammen und diskutieren Sie Verbesserungspotenziale und Prioritäten mit ausgesuchten Führungskräften und Mitarbeitern.

3) Die Methode des Design Thinking und die Festlegung der Personas und den Aufbau eines Prototypen (oder Pilotbereiches) bietet eine gute Grundlage für die weitere Gestaltung Ihres neuen Arbeitsumfeldes im Homeoffice. Ein Testen über die Anwendung in Pilotbereichen überzeugt häufig alle Stakeholder schneller.

4) Erarbeiten Sie die notwendigen Anpassungen der betrieblichen Regelungen und beginnen Sie zeitnah die Verhandlungen mit den Betriebsräten, wenn dieser wichtige Stakeholder nicht bereits an der Task Force partizipiert.

5) Daraus ergeben sich auch die relevanten Parameter zur Anpassung Ihrer internationalen Zusammenarbeitsmodelle und der notwendigen Anpassung in Ihren Total Rewards Instrumenten.

Dr. Güldem Demirer
Profil bei UNITEDINTERIM

Video

Stieglitzweg 46
50829 Köln

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
https://demirer.de

+49 221 282 65 37


[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-Pandemie-Arbeit-im-Homeoffice-nimmt-deutlich-zu , Abrufdatum 18. März 2020

[2] Grunau, Philipp; Steffes, Susanne; Wolter, Stefanie (2020): Homeoffice in Zeiten von Corona: In vielen Berufen gibt es bislang ungenutzte Potenziale, In: IAB-Forum 25. März 2020, https://www.iab-forum.de/homeoffice-in-zeiten-von-corona-in-vielen-berufen-gibt-es-bislang-ungenutzte-potenziale/, Abrufdatum: 14. April 2020

[3] http://publica.fraunhofer.de/eprints/urn_nbn_de_0011-n-6055969.pdf, Abrufdatum 29.10.2020