Bode V. R. Antonic - Spezialist für Umsatzwachstum in der Life-Science-Industrie

Manchmal beschleicht mich ein so Gefühl. Irgendwo in meiner Magengrube manifestiert es sich ein erstes Mal.

Es zwickt und zwackt.

Zumeist überhöre ich es, man muss nicht einer jeden Flatulenz Raum und Bedeutung zuordnen. In manchen Fällen jedoch muss es aber einfach raus.

Und heute ist mal wieder so ein Tag…

Ein Teil meiner alltäglichen Routine besteht darin, „Zeitung" zu lesen. Für mich bedeutet das, dass ich über die üblichen, bekannten social media-Publikationen gehe. Nachrichten im Allgemeinen und Neuigkeiten zu den Themen Führung, Personal, Innovation und Gesundheitswesen stehen dabei in meinem Fokus.

Der Tag mit seiner „Internetzeitung" versprach langweilig zu werden, es gab mal wieder nur diese hinlänglich bekannten Leader-vs.-Manager-Bashings, Change Management-creat-of- urgency-Geschwurbel ad infinitum, gewürzt mit uninteressanten ich-weiß-was-was-Du-nicht-weißt-Meldungen zum Thema KI und ähnlichem Bullshit-Buzzword-Bingo.

Da ich durchaus in der Lage bin, eine unterschwellige Form der Aggression zu entwickeln, so sich mein Hirn langweilt, habe ich mir mit dem Ziele der Aggressionsvermeidung angewöhnt, mir ein intellektuelles Schmankerl anzutun.

Das Video von Professor Dr. Kruse gehört zweifelsohne dazu. Während ich mich über Kruses „bend and wait" (ca. an Stelle 4:10 Minuten im Video) freute, erinnerte ich mich an eine Passage in Fritz B. Simons Buch „Gemeinsam sind wir blöd" (Verlag Carl-Auer, 2. Auflage, 2006, S. 231-246), die ich Ihnen aus fachlichen Gründen näherbringen möchte.

F. Simon beschreibt dabei etwas, was sich jedem von uns intuitiv erschließt, insbesondere denen von uns, die als Interim Manager ständig in Change-Management-Prozessen stecken oder im Allgemeinen von Veränderungsprozessen betroffen sind. Wir alle wissen, dass es diese „Grammatische Regeln" gibt („Das macht man nicht!", „Das sagt man nicht!", Das fragt man nicht mal!"); Regeln, die so eisern sind, dass man sie nicht anpackt. Vulgo: Heilige Kühe. Und wir alle wissen, dass es niemanden (abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen) gibt, der sich wagen sollte, besagte Kühe zu schlachten. Grammatische Regeln fasst man nicht an, sie sind zutiefst Affekt-aufgeladen, sie definieren das System geradezu. Und obwohl ich weiss, dass ich sie nicht anfassen darf, muss ich sie immer wieder anfassen, um die Unternehmenskultur auf die neuen Marktgegebenheiten zu adjustieren. Wer überleben will, muss sich verändern; auch wenn er das nicht will, auch wenn ihn seine grammatischen Regeln davon abzuhalten suchen.

Doch wie ein System ändern, welches sich nicht ändern will?

F. Simon beschreibt dies nach meinem Dafürhalten sehr zutreffend. Er empfiehlt recht eindrücklich, Änderungen auf der Ebene der „Informellen Regeln" vorzunehmen. Diese lassen sich leichter anpacken, das System wird womöglich allergisch, aber eben halt nicht hochallergisch reagieren. Man könnte es vielleicht die Politik der gepflegten, aber nicht winzigen, Nadelstiche nennen. Diese Veränderung auf der Ebene der informellen Regeln führt dann nach und nach zur Ausprägung von veränderten, neuen technischen Regeln, die nach und nach in die grammatischen Regeln rückkoppeln und so das System verändern (Verlag Carl-Auer, 2. Auflage, 2006, S. 244).

Nun stehe ich hier vor Ihnen, die Sie Manager und Managerin sind, als Manager und nicht als Hochschullehrer vor seinen Studenten. Daher will ich Sie nicht weiter mit Theorie quälen, sondern deren Anwendung in der Praxis demonstrieren. Auch wenn es notwendig war, kurz das theoretische Fundament zu beleuchten, will ich mich letztlich einem Fallbeispiel zuwenden.

Zu den Charakteristika des Praxisbeispiels: Unternehmen, ca. 40 Mio. Euro Umsatz, sehr solider EBITDA, Landesorganisation eines Weltmarktführers in der Medizintechnik, Kompetenz- und Preisführerschaft. So weit, so gut. Das Problem: Man war ein wenig füllig um die Hüften geworden. Man verdiente ja gutes Geld – wieso sich also anstrengen? Die Konkurrenz – welche Konkurrenz? Naja, der ein oder andere Kunde sprang ab, die Kundenbasis erodierte. Aber wozu aufregen? Gemach, Gemach, Herr Patriarch, aber eins macht jeder seins.

Ich wurde als interimistischer Vertriebsdirektor gerufen, um dem Kahn ein wenig Vitalität und Spannkraft einzuhauchen. Oder anders gesagt: Machen Sie mal unseren Mitarbeitern ordentlich Dampf unter dem Allerwertesten, wir als Top Management müssen ja uns um die Strategie kümmern. Ja nee, ist klar jetzt. Und sorgen Sie bitte dafür, dass wir mehr Umsatz machen. Nun ja, räusper, ich möchte jetzt nicht die Managementqualitäten des Auftraggebers beleuchten; der Auftrag an sich jedoch reizte mich. Würde ich es schaffen, diesen doch ein wenig in die Jahre gekommenen Tanker zu einer schlanken, ranken und flinken Gazelle zu gymnastizieren?

Um es vorweg zu nehmen: Ja, es gelang. Es fing ganz klein an und wurde dann sehr mächtig. Wucht und Wirkung entfaltete sich innerhalb eines Jahres. Junge Pflänzchen brauchen Zeit zum Wachsen, aber gibt man ihnen diese und handelt es sich zudem um gesunde Pflänzchen, lässt sich daraus ein sehr ordentliches Gewächs ziehen.

Der zentrale Arbeitsansatz – der des Abbaus von Spielregeln – ergab sich eher spontan. Ich stand mit einer Mitarbeiterin zusammen und wir diskutierten ein Paradebeispiel für unsinnige Regeln und Arbeitsabläufe im Unternehmen. Ein unternehmerischer Winter hatte sich ausgebreitet, total freeze, still und starr ruht der See. Es wurde mal wieder irgendetwas erfasst, berichtet, gezählt, controlled, reportet; nichts Wichtiges, irgendein Schmarrn. Ich hörte mir die Fakten an und entschied nach einem kurzen Loop über die Geschäftsleitung diese völlig widersinnige Arbeitsanweisung abzuschaffen. Vordergründig war es nur eine kleine technische Regel, die sich jedoch im Nachhinein als weitaus wirkmächtigere, informelle Regel erwies. Die Mitarbeiterin, die sich darüber doch sehr verwundert zeigte, dass ich „einfach mal so" eine als erdrückend empfundene Handlungsanweisung ändern konnte, war letztendlich hochentzückt, dass sie, die sie mich auf diese Unsinnigkeit aufmerksam gemacht hatte, dadurch wirkmächtig wurde, indem sie nicht einfach akzeptierte, sondern mit mir zusammen verändern konnte („Führen von hinten").

Frühlingserwachen

Diese eine kleine, feine Veränderung der Spielregeln führte zu einem Erwachen der Organisation. Sie war wie der erste Sonnenstrahl im Übergang zwischen Winter und Frühling, der das Eis zum Schmelzen bringt. Das Unternehmen entwickelte sich prächtig, war wie ausgewechselt und quicklebendig. Ja, junge Rösser zu bändigen ist bisweilen anstrengend, aber ich sitze lieber auf einem jungen Pferd, als mich auf den Rücken einer totgeritten Schindmähre abzumühen, welche lieber an den Futtertrog am Stall, denn auf die Weide will.

Zusammenfassung: Change lässt sich gut und gerne anstoßen, so man sich auf die kulturbildenden Elemente konzentriert. Das im vorliegenden Fall entscheidende Element der Kulturbeeinflussung war das der Regelveränderung – bzw. Beeinflussung (Abschaffung). Theoretisch fundamentiert und in der Praxis erprobt, können wir guten Herzens im Veränderungsprozess so vorgehen. Die Menschen in der Organisation werden sich leichter und leistungsfähiger fühlen – und der Erfolg wird in Umsatz und EBITDA zu messen sein.

Dr. Bodo R. V. Antonic - Spezialist für Umsatzwachstum in der Life-Science-Industrie

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