By Jürgen Kaiser on Donnerstag, 20. Mai 2021
Category: INTERIM MANAGER

Das war Interim! Die kürzeste Interim-Geschäftsführung meiner Karriere.

Ich komme gerade von einem Notartermin und habe soeben die kürzeste und wohl auch intensivste Interim-Geschäftsführung meiner Karriere an meine Nachfolgerin, eine festangestellte Geschäftsführerin, übergeben.

Es war gerade mal vor knapp 6 Wochen, Anfang April, als mich ein Anruf aus der Verwaltung des Landes Niederösterreich erreichte.

Erst wenige Tage davor hatte ich meine Interim-Geschäftsführung des vorausgegangenen Projektes an meinen Nachfolger übergeben. Wir hatten erfolgreich einen Equity-Investor für den ländlichen Glasfaserausbau gesucht. Nach 1-jährigen Verhandlungen mit zahlreichen internationalen Investoren war es gelungen, die Allianz-Gruppe mit €300 Mio Equity für das Projekt zu gewinnen.

Job done. [Case Study]

Jetzt, wenige Tage danach, der Anruf: „Herr Kaiser, Ihnen muss mit Ihrer neu gewonnenen Freizeit nun ja mächtig langweilig sein. Wir haben da ein Problem!"

Dieses Wort triggert sofort Interesse in mir. Meine Aufmerksamkeit steigt.

„Aufgrund einer Reorganisation" fährt der mir bekannte Spitzenbeamte in ruhigen Worten fort müssen wir einen Teilbetrieb in eine neu zu gründende Gesellschaft übertragen. Diese soll an einem neuen Standort neu starten, die Mitarbeiter benötigen neue Verträge. Wir haben niemanden, der das derzeit machen könnte. Die neue Geschäftsführung ist noch in Ausschreibung, das Ganze muss aus unterschiedlichen Gründen bereits Anfang Mai über die Bühne sein."

Jetzt könnte ich wohl nicht mehr aufmerksamer sein.

Ich fasse am Telefon zusammen, Eine komplette Teilbetriebsauslagerung samt Organisation einer Übersiedlung in neue Büros. Die Mitarbeiter sollen in 3 Wochen beginnen. Es existiert weder ein Entwurf eines Kaufvertrages, noch ein Mietvertrag, nur die grundsätzliche Einigung...? Ok. Klar. Ich bin an Board!"

Unmittelbar darauf war die neue GmbH, die übernehmende Gesellschaft, gegründet und ich deren Geschäftsführer.

3 Wochen später, am 3. Mai mussten die Mitarbeiter am neuen Standort in der neuen Firma beginnen.

Ich begann eine To-Do Liste und einen Projektplan zu erstellen.

190 Punkte. Alle rot.

Von Erstellung und Verhandlung des erwähnten nicht existierenden Kaufvertrages (APA), Ausverhandeln eines Mietvertrages an einem neuen Standort, Übersiedlung und Ausstattung des neuen Standortes, Gespräche mit den Mitarbeitern, Verhandeln der neuen Dienstverträge mit dem Betriebsrat, Lösung der IT-Themen, DSGVO-Themen, Gewerbeanmeldung, Auswahl der Mitarbeiter-Vorsorgekasse bis Abschluss der nötigen Versicherungen, die Übertragung aller nötigen Rechte und Assets samt Organisation von Lagermöglichkeiten, etc. etc. etc.

Immerhin ist die ganze Nextbike-Fahrradflotte im gesamten Bundesland mitbetroffen. Die Kunden wollen auch Anfang Mai noch ihre Räder ausborgen können. Die Info an alle Geschäftspartner, Kunden, Lieferanten hinsichtlich der neuen Firma war zu organisieren. Von der Regelung der künftigen Buchhaltung und Steuerberatung bis zur Organisation von Office-Equipment, Laptops und Telefonen, Domain-Sicherung und diverse Kontoeröffnungen samt Kapitalaustattung ebendieser fand sich da alles auf der To-Do Liste. Leider wurde diese in den ersten Tagen noch länger, anstatt kürzer.

Beispielsweise wurde ich dann noch in die Auswahl-Kommission zur Besetzung der mir nachfolgenden Geschäftsführung aufgenommen.

Anfang der letzten Aprilwoche sind die Dienstverträge und der Kaufvertrag noch nicht final, aus den mittlerweile auf 240 Punkte angewachsenen ToDos war noch mehr als die Hälfte gelb, nur einige wenige bereits grün.

Noch 4 Tage.

Dann aber in einer großen Verhandlungsrunde die Einigung. Der Kaufvertrag wird am Freitagabend, wenige Stunden vor dem 1. Mai unterfertigt. Am Montag darauf, den 3. Mai, beginnen – wie geplant aber von kaum noch jemandem geglaubt – die Mitarbeiter am neuen Standort. Die Laptops und Telefone laufen. Bereits am Nachmittag herrscht reges Treiben und es sieht im Office aus, als wären schon immer alle hier gewesen. Auch die Fahrräder fahren. Im ganzen Bundesland.

Auch die Suche nach der künftigen Geschäftsführung wurde mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und erfreulicherweise kann meine Nachfolgerin kurzfristig noch im Mai beginnen. Es folgt eine kurze aber intensive Übergabephase und per heute, Mitte Mai, scheide ich per Notariatsakt auch schon wieder aus der Geschäftsführung aus und übergebe an meine Nachfolgerin.

Was mich besonders freut und auch ehrt, ist, dass ich vom Eigentümer gefragt wurde, ob ich das Projekt künftig als Aufsichtsrat weiterhin begleiten möchte.

Für mich als Interim Manager in Summe ein enormer Kontrast zu bspw. meinem vorausgegangenen Projekt. Da hatte ich im Rahmen der Investorensuche mit internationalen Kapitalgebern über hunderte Millionen Euro verhandelt. Plötzlich kümmere ich mich darum, dass die Mitarbeiter rechtzeitig einen Schreibtisch, ein Telefon und einen Laptop haben und das Impressum auf der Webseite und die AGB angepasst werden.

Der Punkt ist aber: In beiden Fällen hatte der Kunde einen dringenden Bedarf. Mir war es möglich, mit meinem Knowhow zu unterstützen und letztlich dadurch wohl auch ein Mehrwert zu schaffen (der nebenbei bemerkt, und wenn es mir erlaubt ist, das zu sagen, sicherlich weit über den bekanntlich oft diskutierten und bezahlten Interim Manager-Honoraren liegt...).

Und ein weiterer Punkt: Es muss nicht immer Rocket-Science sein!

So sehr es natürlich eine Freude und Herausforderung ist, in komplexen M&A-Transaktionen mit internationalen Investoren zu verhandeln, ein kniffliges Sanierungsprojekt oder eine Restrukturierung zu leiten, oft auch ein Projekt über viele Monate bis zu 1 oder 2 Jahren zu begleiten, so hat mir auch dieses 5-Wochen-Projekt großen Spaß gemacht und war letztlich keine minder große Herausforderung.

Zugegebenermaßen: Besonders gereizt hat mich natürlich die schier unmöglich scheinende Deadline. Eine komplette Teilbetriebs-Herauslösung in wenigen Wochen (defacto ohne vorhandene Vorarbeiten) ist schon sportlich, aber ich wusste, es besteht eine theoretische Chance. Das hat für meine spontane Zusage genügt.

Und eines möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen: Nach unzähligen M&A und Finanzierungs-Transaktionen habe ich mir über die Jahre ein umfassendes Netzwerk aufgebaut, das solche Blitz-Transaktionen überhaupt erst ermöglicht. Der Anwalt bspw., der die Transaktion juristisch begleitet hat, war mir kein Unbekannter. Das hilft enorm. Man spricht die gleiche Sprache. In Verhandlungen genügt schon eine Bewegung mit den Augenbrauen zur gegenseitigen Verständigung.

To make a long story short: In einem Projekt, wo intern schlicht die ausreichenden Management Kapazitäten temporär fehlen, kann Interim Management mit extrem fokussiertem Vorgehen, einem vollen Werkzeugkoffer an Tools und Erfahrung und mit einem Netzwerk an eingespielten Partnern auch schon mal das scheinbar Unmögliche möglich werden lassen! 

Jürgen Kaiser

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