Wie löse ich als Interimmanager das Problem stockender Kommunikation und unklarer Ziele?
In vielen Mandaten stoße ich auf ein altbekanntes Phänomen: Die Kommunikation ist ins Stocken geraten. Was zunächst wie ein temporäres Missverständnis wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen oft als strukturelles Problem – mit weitreichenden Folgen:
Ziele sind unklar, Rollen diffus, und Entscheidungsprozesse verlaufen schleppend oder intransparent. In solchen Situationen ist es nicht damit getan, ein paar Meetings einzuberufen.
Was es braucht, ist ein klarer Fahrplan – gepaart mit Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Durchsetzungskraft.
Nach über 35 Jahren im Projektgeschäft habe ich bestimmte Methoden entwickelt, die sich immer wieder als hilfreich erwiesen haben. Sie beruhen auf Empathie, konsequenter Klarheit und einem tiefen Verständnis dafür, wie Organisationen ticken – vor allem dann, wenn sie sich in einem Spannungsfeld befinden.
1. Wo hakt es wirklich? Analyse vor Aktion
Bevor ich aktiv eingreife, beobachte ich. Ich höre zu. Ich analysiere, wo genau die Kommunikation ins Stocken geraten ist. Sind es persönliche Konflikte? Fehlende Verantwortlichkeiten? Oder schlicht zu viele Schnittstellen, an denen Informationen verloren gehen?
Ein Beispiel: In einem Industrieprojekt mit mehreren internationalen Stakeholdern stellte sich heraus, dass es keine einheitliche Sprache im übertragenen Sinne gab. Jeder Bereich definierte "Projektfortschritt" anders. Erst durch die Einführung eines gemeinsamen Zielbildes konnten wir überhaupt über dasselbe sprechen.
Praxis-Tipp: Nutze die ersten Tage im Mandat für gezielte Einzelgespräche mit Schlüsselpersonen. Stelle offene Fragen wie: "Was müsste passieren, damit Sie Ihre Arbeit effektiver machen können?" oder "Wo erleben Sie gerade die größte Reibung?"
2. Ziele klären – aber richtig
Unklare Ziele sind wie ein Nebel, der sich über alle Aktivitäten legt. Deshalb ist meine erste Maßnahme oft ein strukturierter Ziel-Workshop. Dabei geht es nicht darum, das nächste große Strategiedokument zu produzieren, sondern Klarheit auf operativer Ebene zu schaffen: Was wollen wir bis wann erreichen – und wer trägt die Verantwortung dafür?
Ich erinnere mich an ein Mandat, bei dem allein die Unklarheit über Verantwortlichkeiten in der Projektleitung zu monatelangen Verzögerungen führte. Nach einem halbtägigen Workshop mit klarer Ergebnisvisualisierung konnten wir innerhalb weniger Wochen verlorenen Boden wiedergutmachen.
Praxis-Tipp: Verwende einfache Tools wie ein „One-Page-Project-Brief", um Verantwortlichkeiten und Erwartungen glasklar zu dokumentieren – und visuell festzuhalten.
3. Transparente Kommunikation fördern – jeden Tag
Kommunikation darf nicht dem Zufall überlassen werden. In schwierigen Projekten installiere ich feste Kommunikationsroutinen: Daily Check-ins, kurze Statusupdates per E-Mail oder ein visuelles Status-Board für alle Beteiligten. Wichtig ist: Weniger ist oft mehr – aber regelmäßig muss es sein.
Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, jede Woche eine kurze, persönliche Zusammenfassung an alle Stakeholder zu senden – keine PowerPoint, kein Marketing, sondern ein ehrliches Lagebild mit einem klaren „So geht's weiter". Diese Klarheit wird fast immer dankbar aufgenommen – nicht trotz, sondern wegen ihrer Einfachheit.
Praxis-Tipp: Führe ein Kommunikationsprotokoll ein, in dem festgehalten wird, wann welche Informationen an wen kommuniziert wurden. So entsteht Nachvollziehbarkeit und Vertrauen.
4. Empathie statt Eskalation
In hitzigen Projektphasen ist es verlockend, mit Druck zu reagieren. Aber echte Fortschritte erzielt man nur, wenn man Menschen mitnimmt. Ich versuche, auch in stressigen Momenten den Menschen hinter der Rolle zu sehen: Was treibt ihn oder sie gerade um? Welche Zwänge wirken?
Ein Fall aus der Energiebranche bleibt mir in Erinnerung: Eine Führungskraft blockierte wichtige Entscheidungen. Nicht aus Bosheit, sondern aus Angst, Verantwortung zu übernehmen, ohne Rückendeckung. Erst im Vier-Augen-Gespräch zeigte sich das – und erst dann konnten wir gemeinsam eine Lösung entwickeln.
Praxis-Tipp: Mach es dir zur Routine, regelmäßig informelle Gespräche zu führen. Nicht alles muss im Meetingraum passieren. Manchmal hilft ein Spaziergang mehr als jede Agenda.
5. Momentum aufbauen – durch schnelle Erfolge
Nichts stärkt das Vertrauen in die Kommunikation mehr als sichtbare Fortschritte. Deshalb suche ich gezielt nach „Low-Hanging Fruits" – Aufgaben oder Entscheidungen, die schnell erledigt werden können und positive Energie freisetzen.
In einem Transformationsprojekt konnten wir durch die sofortige Klärung von Zuständigkeiten bei der Budgetfreigabe mehrere Wochen Zeit gewinnen. Ein kleiner Schritt, aber mit enormer Wirkung auf die Stimmung im Team.
Praxis-Tipp: Setze in den ersten 30 Tagen drei Quick Wins um – und mache sie sichtbar. Visualisiere Fortschritte und zeige, dass Bewegung möglich ist.
Fazit: Kommunikation ist kein Projekt – sie ist Kultur
Stockende Kommunikation ist oft nur das Symptom tieferliegender Probleme. Als Interimmanager sehe ich meine Aufgabe nicht nur darin, Lösungen zu liefern, sondern die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunikation und Klarheit wieder zur Selbstverständlichkeit werden. Das gelingt nur mit einem klaren System, empathischer Führung und einem festen Willen zur Veränderung.
Klaus-Peter Stöppler
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