Wollen Sie zum Mars oder reicht Ihnen der Mond? (angelehnt an Larry Page, Google)

Kann OKR für Start-ups und für Industrieunternehmen eine Lösung liefern?

Ausgehend davon, dass viele Unternehmen sich aktuell auf dem Entwicklungsweg befinden, von hierarchisch definierten Aufbauorganisationen hin zu Unternehmen mit agileren und selbststeuernden Teams, werden Ungereimtheiten u.a. in den Themen Führung (durch Ziele) und Performance Management schnell deutlich.

Die traditionellen Ansätze der Führung mit einer klassischen Leistungssteuerung top-down – hier zusammengefasst unter dem Begriff Management-by-Objectives (MbO) - erschweren die Durchlässigkeit zwischen und verlangsamen Transaktionen in den kleinsten Unternehmenseinheiten.

Die bestehenden Strukturen werden eher als hinderlich und nicht mehr als richtungsweisend oder komplexitätsreduzierend bewertet und verschwenden damit Zeit und Ressourcen.

Wenn Sie Mitarbeiter eines klassischen produzierenden Unternehmens befragen, welche Vorteile sie bei einem agilen Team erwarten und welche Nachteile einer hierarchischen Organisation sie aktuell erleben, dann erhalten Sie Aussagen, die man wie folgt zusammenfassen kann: 



Unternehmenslenker suchen nach neuen Wegen, die Leistung im Allgemeinen und die Innovationsfähigkeit im Besonderen ihrer Teams zu entfachen. Als eine mögliche Lösung wird die Einführung des Ansatzes Objectives & Key Results (OKR) im Management diskutiert. 

OKR kann als

A) einfaches Konzept zur Regelung des operativen Zielemanagements in der agilen Organisation, aber auch als
B) ganzheitlicher Führungsansatz zur Förderung der Innovationsfähigkeit und Leistungssteigerung gestaltet werden. 

Gerade etablierte Unternehmen sehen in OKR ein werthaltiges Führungsinstrument zur Unterstützung der bevorstehenden Transformation, hin zu agileren Arbeitsweisen und vor dem Hintergrund der Megatrends (z.B. Industrie 4.0, Kreislaufwirtschaft, New Ways of Working).  

Welche Verbesserungen werden mit der Einführung des OKR erwartet?

  • Abstrakte Unternehmensmission für den einzelnen Beschäftigten greifbar machen

  • Weiterentwicklung bestehender Nachteile klassischer Zielvereinbarungen: Reduziert z.B. die Zieleamnesie

  • Autarke Teams fördern
  • Statische Zielvereinbarungen und -prozesse seien zu bürokratisch und unzeitgemäß (Zyklus von 12 Monaten)
  • Individualziele führen zu egoistischem Verhalten, das dem Unternehmen schaden kann (under-promising, sandbagging)
  • Unternehmensweite Transparenz und gemeinsamen Diskurs über Key Results
  • Autoritäre Zielvorgabe- und Kontrollsysteme minimieren, die durch Führungskräfte missbraucht werden können
  • OKR statt jährliches Mitarbeiterentwicklungsgespräch
  • Steigert Innovationspotenzial durch bottom-up Beteiligung



Schauen wir uns einige grundlegende Elemente des Ansatzes OKR an:

Transparenz: Alle Teamziele sind für alle Beschäftigten (vertikal und horizontal) transparent

Teamziele: Ziele verbleiben auf der Ebene der Teams, es werden keine Individualziele vergeben

Top-down & Bottom-up: Partizipation der Teams bei der Zielformulierung

Lead & Lag Measures: Kausalität des zeitlich vorgelagerten Auftragseingangs und dem folgenden Umsatz.

Kurze Zyklen: ca. zwei bis vier Monate. Hingegen sind die festgelegten Jahresziele nicht „in Stein gemeißelt"

SM(X)RT und höchst ambitioniert: Das Erreichen der Ziele ist ein Indikator dafür, dass sie nicht ambitioniert vorgehen, d.h. 60%-70% Erreichung ist bereits ein guter Erfolg

Keine wahrgenommene Limitierung/Sanktionierung durch Ziele: durch die Kopplung an ein Bonussystem; d.h. die Zielformulierung und Vergütung haben keinen direkten Bezug zueinander!

Was sind Enabler für das Funktionieren der OKR Mechanismen: Selbstorganisierte Teams, OKR-Master, -Coaches und -Prozesse

Was wissen wir über den Ursprung des OKR und warum ist der Ursprung relevant?

OKR ist entstanden aus dem klassischen Management-by-Objectives Ansatz[1] in den 60er Jahren (Peter F. Drucker) und eingesetzt bei etablierten großen Unternehmen, z.B. General Electrics. In den 70er Jahren fand eine Anpassung für den Einsatz in Start-ups aus der Tech-Branche (Intel, Google, Apple etc.) statt. Eine wichtige formale Abweichung des OKR vom MbO ist, dass das Erreichen der Key-Results

  1. NICHT auf der Individualebene gemessen wird und
  2. NICHT mehr mit der Anreizwirkung höherer Bezahlung gearbeitet wird, sondern
  3. die Entwicklung der Mitarbeiter (Kompetenzen und Fähigkeiten) stellt den relevanten Anreizmechanismus dar.

Google, Amazon, Apple gehören zu den ersten großen Tech-Unternehmen, deren exponentieller Erfolg mit der Anwendung des OKR einher geht.

Sehr üblich ist es für z.B. Inkubatoren oder Venture Capital Gesellschaften[2] OKR als Managementtechnik zur Führung und exponentiellen Entwicklung des Unternehmens (upscaling) einzuführen. Hier wird OKR als strukturiertes Führungsinstrument in ein bisher sehr volatiles Umfeld eingeführt. Der Führungsmannschaft eines Start-ups kann bei Übergang in die Wachstumsphase durch die Anwendung strukturierter Instrumente nun interne Effizienzen erhöhen.

Welchen Herausforderungen haben diese Tech-Unternehmen in der Expansionsphase, so dass OKR als der passende Ansatz gewählt wird?

  • Exponentielles Wachstum,
  • Knappheit in den einzigartigen Kompetenzen (in Technologie, Methoden, Herangehensweise & Verhalten)
  • Ressourcen können nicht vom Markt eingekauft werden, sondern müssen selbst entwickelt werden.

Warum wird die Einführung von OKR nur holprig in der „Mature Economy" vonstattengehen?

Der Ansatz OKR setzt nicht auf der „grünen Wiese" auf, sondern muss in ein bestehendes Geflecht von Corporate Governance, Führungsmechanismen, Selbstverständnis der Führungsmannschaft, Art und Weise der Leistungsbeurteilungen, operatives Zielemanagement und Vergütungsbausteinen eingebaut werden.

Im klassischen MbO-Ansatz wurden Ihre Mitarbeiter u.a. dadurch motiviert, dass die Höhe der Bonusauszahlung von der Leistung abhängig ist. Dies erfolgt bei OKR jedoch nicht mehr oder nur noch sehr indirekt über die jährliche Gehaltsentwicklung oder Beförderungen. Aus diesem Grunde ist OKR für bestimmte Organisationsformen, wie z.B. Netzwerk-Organisationen, Projektorganisationen, eher geeignet. Hingegen, ist die Implementierung für stabile Aufbauorganisationen mit klassischen Stellenbewertungen schwerfälliger.

Wie verläuft nun die Umstellung im laufenden Betrieb?

Veränderung der Unternehmens-, Bereichs- und Teamziele bei gleichzeitiger Streichung der Individualziele hat einen direkten Effekt auf das Portemonnaie der Mitarbeiter und Ihre Budgetplanung. Ziele sind Mittel zur Governance der Organisation und lenken durch das jährliche Zielemanagement die Aktivitäten der Mitarbeiter, festgehalten in Ihren Zielegesprächen. D.h., Sie benötigen mindestens an der Schnittstelle zu Operations, Finance/Controlling sowie Arbeitnehmervertretung eine Antwort auf die Veränderung oder die entstehenden Lücken.

Die Entkopplung der individuellen Ziele von individueller Vergütung hat zur Auswirkung, dass dieses Führungsinstrument zur „Feinjustierung" für die Manager wegfällt. Diesen Freiraum können Manager durch anderweitige Führung aufgreifen oder auch nicht.

Sinn der Arbeit (Purpose) wirkt als Motivator und weniger die reinen Stakeholder-Interessen, dies muss kommunikativ und kulturell begleitet werden. Nicht jeder performende Mitarbeiter wird den Wegfall der bisherigen Anreize begrüßen.

Es lassen sich Tendenzen erkennen, dass für den Wegfall andere zusätzliche Vergütungsinstrumente (z.B. Spotboni) eingesetzt werden. Häufige Rückmeldung zur Leistung bei langjährigen Mitarbeitern in stabilen Organisationseinheiten wirkt schnell „overengineered".

Umstellung von erreichbaren auf ambitionierte Ziele („moon shots") erfordert das Verständnis über alle Elemente des OKR und einer veränderten Führungsmethode vom Management und den Mitarbeitern.

Das finanzielle Risiko, welches für die Auszahlung der individuellen Variablen bestand, wird durch die Kopplung an die rein finanziellen Unternehmensziele (z.B. EBIT/Profit) aufgehoben. Die Budgets werden damit nur ausgeschöpft, wenn ausreichend Finanzmittel erwirtschaftet wurden.

Wann machen Menschen im Job willig solch eine Reise mit?

Wenn diese auf faire Behandlung vertrauen, damit mutig neue Wege gehen können und bei Misserfolg nicht sanktioniert werden. Damit müssen Manager – abweichend zum Bisherigen – mehr den Input (d.h. die individuelle Anstrengung) bewerten als den leicht zu beziffernden Output (festgelegt durch KPIs). Das Vertrauen schafft erst den Freiraum, neugierig und experimentierfreudig zu sein und sich interdisziplinär vernetzen zu wollen und zu können. Entsprechend der Innovationsforschung [3] sind dies die relevanten Rahmenparameter für unternehmerisches Verhalten der Mitarbeiter. Dies kann der Ansatz von OKR bieten, wenn die individuelle Vergütung keine Sanktion darstellen kann.

Dr. Güldem Demirer
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[1] https://doi.org/10.2307/257878 Abgerufen am 15.07.2021.
[2] https://www.youtube.com/watch?v=mJB83EZtAjc Abgerufen am 15.07.2021
[3] http://www.jstor.org/stable/44840809 Abgerufen am 29.07.2021.