Branche: Fahrzeugbau und Maschinenbau (Kunststoffverarbeitung)
Linienfunktion: Produktion/Technik (Produktionsleiter, global)
Thema: Reorganisation, Werkzeugbau, Formenbau, Verbundsysteme
Umsatz: über 100 Mio. Euro
Mitarbeiter: über 200
Aufgabe:
In meiner Funktion als weltweiter Produktionsleiter eines Konzerns war ich u.a. zuständig für den Werkzeugbau innerhalb eines größeren Produktionsstandortes, der qualitativ hochwertige und sehr anspruchsvolle Werkzeuge herstellte. Dieser Standort fungierte nicht nur als Produktionsstandort für einen Geschäftsbereich, sondern auch als Leitwerk, welches Werkzeuge für internationale Standorte entwickelte, industrialisierte und lieferte – beispielsweise nach Brasilien, Korea und Tschechien.
Über Jahre galt dieser Werkzeugbau im Konzern als Benchmark in Sachen Qualität und Termintreue. Doch der Wettbewerb verschärfte sich: Internationale Anbieter, besonders aus Osteuropa und Asien, entwickelten sich zu ernsthaften Konkurrenten, da sie inzwischen in Qualität und Tempo konkurrenzfähig wurden. Preisvorteile von 20-50 % machten externe Anbieter wirtschaftlich attraktiv, vor allem bei weniger komplexen Werkzeugen. Gleichzeitig verfolgte die Konzernleitung die Strategie, interne Kapazitäten zu reduzieren, einzelne Werkzeugbauten zu schließen oder auf minimale Funktionen zu beschränken (z. B. nur die Instandhaltung) und die Vorteile des Marktes zu nutzen.
Als Konsequenz gingen Aufträge verloren, Knowhow geriet in Gefahr, und die Existenz einiger Werkzeugbauten stand auf dem Spiel.
Lösung:
Angesichts des zunehmenden externen Wettbewerbs und interner Sparvorgaben wurden zwei sich ergänzende Strategien erarbeitet und auf Wettbewerbsfähigkeit überprüft, um den internen Werkzeugbau nicht nur zu erhalten, sondern zu einem strategischen Vorteil auszubauen:
- Hybrides, globales Produktionsmodell: Beibehaltung der Gesamtverantwortung in-house bei gleichzeitiger Auslagerung von weniger komplexen, arbeitsintensiven Komponenten nach Osteuropa und China.
- Europäischer Werkzeugbau-Verbund: Zusammenführung aller europäischen Werkzeugbauten im Konzern unter einer Gesamtleitung, um Kapazitäten zu bündeln, redundante Strukturen zu reduzieren und Knowhow zu sichern.
Zentrale Ergebnisse:
- Kostenreduktionen im zweistelligen Prozentbereich
- Termintreue (OTD) über 95 % trotz Verzahnung mit externen Lieferanten
- Qualität und Reklamationsquoten auf Benchmark-Niveau gehalten
- Maschinenparks fokussiert und Expertenwissen gesichert
- Werkzeugbau wandelte sich vom Kostenfaktor zum strategischen Wettbewerbsvorteil
Strategie 1: Hybrides, globales Produktionsmodell
Um Qualität und Geschwindigkeit zu vereinen, wurde das Modell einer intelligenten Arbeitsteilung verfolgt:
Bestimmte Werkzeugelemente und Konstruktionsschritte sind hochgradig Knowhow-abhängig. Komplexe Komponenten steuert nun das interne Team zentral, während andere Teile – besonders arbeitsintensive Standardkomponenten – extern effizienter gefertigt werden. Der zentral Punkt lag in der Synchronisierung: Wenn komplexe Bauteile zuerst fertig waren, mussten weniger komplexe Teile so angeordnet werden, dass alle Komponenten zeitgleich zur Montage eintrafen.
Wichtige Maßnahmen und Fakten:
- In-House verantwortlich für: Konzeptkonstruktion, kritische Komponenten, Projektmanagement, Finishing, finale Endabnahme und Gewährleistung
- Externe Fertigung: Osteuropa & China für Standard-Pakete
- Projektmanagement: festgelegte Meilensteine, Pufferzeit bei komplexen Teilen, strikter Zeitplan, vor Ort-Monitoring der Bearbeitungsstati, Berücksichtigung von Transportzeiten
- Resultate:
- Sicherung der Termintreue und Qualität
- Deutliche Kostenreduzierung durch Auslagern und Skaleneffekte
- Interner Werkzeugbau wurde zum Systemführer, nicht nur Produzent
Strategie 2: Europäischer Werkzeugbau-Verbund
Parallel zur globalen Arbeitsteilung arbeiteten wir daran, die europäische Struktur der Werkzeugbauten neu zu gestalten. Viele der Standorte litten unter geringen Auslastungen, redundanten Maschinenkapazitäten, ähnlichen Kompetenzen und der teilweisen Bedrohung durch Schließung. Wir erkannten: Es gibt bessere Chancen, wenn man statt Konkurrenz innerhalb des Konzerns strikt auf Kooperation setzt.
Maßnahmen & Umsetzung:
- Analyse sämtlicher Maschinenparks, Expertisen, Kapazitäten an allen europäischen Standorten
- Evaluierung, welche Standorte Spezialisierungen bieten und wo Überkapazitäten vorhanden sind
- Kapazitätsanpassungen in enger Abstimmung mit Konzernvorgaben (z. B. wenn externe Beschaffung günstiger ist)
- Gründung eines europäischen Verbunds unter einer Gesamtleitung, die Werkzeuganfragen zentral verteilt und Kosten sowie Terminziele optimiert
- Flexible Nutzung der Standortstärken – beispielsweise Spezialisierung auf bestimmte Technologien oder Prozessschritte
Ergebnisse:
- Erhalt von Knowhow und spezialisierten Maschinenparks an Standorten, die sonst reduziert worden wären
- Bündelung der Kapazitäten und bessere Auslastung
- Kosten- und Terminziele regelmäßig übertroffen
- Gestärkter interner Wettbewerbsvorteil und höhere Akzeptanz bei der Konzernleitung
- Kosten: Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich durch externe Fertigungspakete & reduzierte Redundanzen
- Termintreue (OTD): > 95 % trotz komplexer globaler Lieferketten
- Qualität: Reklamationsrate blieb Benchmark-konform
- Kapazitätsauslastung: Maschinenparks effizienter genutzt
- Knowhow & Mitarbeiter: Erhalt trotz Sparmaßnahmen
Lessons Learned / Übertragbarkeit
- Merksatz: Wettbewerbsvorteil entsteht aus Orchestrierung und Steuerung – nicht allein aus der Kostenreduktion.
- Interne Kompetenzzentren behalten ihren Wert, wenn sie Gesamt-Verantwortung übernehmen und nicht zu reinen Zulieferern werden.
- Netzwerke oder Verbünde innerhalb eines Konzerns ermöglichen Flexibilität, Spezialisierung und bessere Auslastung.
Das Modell ist übertragbar auf andere produzierende Industrien. Die hier dargestellten Ansätze und Ergebnisse sind direkt übertragbar auf komplexe Herausforderungen in Automotive und Maschinenbau. Als Interimmanager unterstütze ich Entscheider und Business-Gremien dabei, strategische Transformationen resilient und erfolgreich zu steuern – auch und gerade in schwierigen Zeiten.
Jan Beutnagel
PROFIL BEI UNITEDINTERIM
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