UNITEDINTERIM Blog

Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Was ist los in Österreich? Interim Manager in der Falle?

Wenn die Nachfrage in den beiden den Markt dominierenden Branchen von zusammen 43 Prozent auf nur noch 26 Prozent absackt, dann ist Feuer unter dem Dach.

In Österreich ist das offenbar passiert!

Die bislang starken Branchen Automotive und Maschinenbau brachen laut einer aktuellen Studie („Der österreichische Interim Management Markt 2021", Quelle am Ende des Beitrags) massiv ein. Automotive sogar um fast die Hälfte.

Die präsentierten Zahlen schockieren:

Auslastung massiv gefallen. Teilzeitjobs als Regel.

Fast die Hälfte (45 Prozent) der Interim Manager*innen ist aktuell komplett ohne Auftrag.

Das wird ein historischer Tiefststand sein! Von denen, die einen der selten gewordenen Jobs ergattert haben, arbeiten knapp 90 Prozent dann auch nur in einem Teilzeitmandat.

Vor der Pandemie war in der gesamten DACH-Region die 5 Tage-Woche der Normalfall für Interim Manager. Nun ist die Auslastung massiv gesunken! Nur noch 10 Prozent der Mandate sind Vollzeit.

Vor der Pandemie lag die durchschnittliche Mandatsdauer in der DACH-Region bei circa 9 Monaten. Jetzt buchen 90 Prozent der Kunden nur noch Kurzeinsätze zwischen 1 und 6 Monaten. Der Durchschnittswert ist zum Maximalwert geworden.

Was ist da denn los? Kompletter Nachfrageeinbruch? Halten Kunden in Österreich gar nichts mehr von Interim Managern? Totalversagen in der Pandemie von all denen, die in Österreich den Anspruch haben, für Anfragen und Projekte zu sorgen? Oder gibt es noch andere Gründe?

Tagessätze an der Grenze der Zumutbarkeit

Ein besonderer Schocker sind die niedrigen Tagessätze: Fast ein Drittel liegt unter 700 Euro – so mancher Interim Manager wird somit noch viel weniger verdienen. Unter die Schwelle von 100 Euro in der Stunde als i.d.R. akademisch ausgebildete hochqualifizierte und selbständig tätige Führungskraft oder Experte zu fallen, bedeutet: Grenze der Zumutbarkeit! Der Rest der Projekte läuft dann auch nur im Bereich „bis" 1250 Euro.

Von höheren Tagessätzen wird in der Studie gar nicht berichtet. Zum Vergleich dienen die Studien und Zeitreihen des AIMP (Arbeitskreis Interim Management Provider), die in den 15 letzten Jahren immer eine wesentlich breitere Bandbreite – einschliesslich wesentlich höherer Tagessätze – abbilden konnten.

Ich frage mich: Wo sind die hochwertigen Mandate – diejenigen mit richtig guten Einkommensmöglichkeiten für Interim Manager? Offenbar gibt es die aktuell gar nicht (mehr) in Österreich! Oder zumindest nicht bei denen, die an der Studie teilgenommen haben?

Wenn die Autorin von Steigerung des „Durchschnittswertes" bei Tagessätzen spricht, dann habe ich dafür nur eine Erklärung. Ich kann mir vorstellen, dass es mit der Auslastung zusammenhängt: Wenn ein Interim Manager nur für 2 Tage in der Woche in einem Mandat von wenigen Wochen tätig ist, dann geht der Tagessatz natürlich etwas nach oben, verglichen mit einem längerfristigen Auftrag mit 5 Tagen pro Woche für ein ganzes Jahr. Das ist in der Unternehmensberatung mit weniger Tagen pro Auftrag ja ähnlich.

Unter der Annahme, dass die Zahlen dieser Umfrage den Markt halbwegs glaubwürdig abbilden, dann lautet die zentrale Aussage: Massive Einkommensverluste bei den Interim Managern in Österreich!

Wer ist schuld? Die Falle!

Wer nun alten Mustern folgt und den Blick stets auf andere als auf sich selbst richtet, wird die Gründe für diese Situation vorzugsweise

(1) bei „zögerlichen Kunden",

(2) bei „inkompetenten Providern" oder pauschalierend

(3) bei „Corona"

suchen. Das sind zumindest die Argumente, die mir vorzugsweise zu Ohren gekommen sind.

Tief im Inneren weiss jemand, der so argumentiert, aber auch: „It takes two for a tango." An dieser Stelle möchte ich daher die Aufmerksamkeit auf etwas lenken, was mir in dieser Studie ebenfalls ins Auge gesprungen ist – und in der Hand der Interim Manager liegt. Möglicherweise findet sich hier auch ein Ansatzpunkt für einen Lösungsweg.

Die Analyse sagt: Drei von 4 Mandaten laufen über persönliche Direktkontakte.

Das klingt doch erst einmal gut - also sollte man das dann genau so machen, oder? Doch genau darin liegt eine Falle!

Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass vor Corona so gut wie jeder Interim Manager und Provider in Österreich der Ansicht war, dass persönliche Kontakte überragend wichtig sind. Daran ist grundsätzlich nichts falsch. Es ist auch absolut nachvollziehbar, dass dann die wichtigste vertriebliche Tätigkeit im Aufbau und in der persönlichen Pflege dieser Kontakte besteht. Auch ich erinnere mich sehr gerne an unübertroffen inszenierte Netzwerkabende in einzigartigen, historischen Räumen im ersten Wiener Gemeindebezirk. Alles bei gutem Wein, bester Küche – musikalisch begleitet von beeindruckenden Künstlern. Und jeder war „wichtig" und fühlte sich wohl.

Vereinfacht gesprochen konnte man denken: Für einen Auftrag braucht es in Österreich vor allem gute Beziehungen zu den richtigen Leuten und vielleicht noch ein („lästiges") Basisdokument, einen klassischen CV. Manch einer wird nun schmunzeln und sich denken: „Das war nicht nur in Österreich so." – Und ja: So mancher hat seine Unterlagen als „lästige Pflicht" empfunden und „lieblos" gestaltet. Man möge mir diese Einschätzung nachsehen. Nur die wenigsten Unterlagen waren (und sind) wirklich auf dem Niveau von Vorstandsvorlagen. Hier ein Video zu den Unterlagen von Interim Managern zusammen mit Malte Borchardt, einem absoluten Experten in dieser Hinsicht. Im Video finden sich viele pragmatische Tipps.

Und jetzt kommt der Punkt:

Weil genau hier (bei persönlichen Kontakten) in Corona-Zeiten harsche Limitationen herrschten, kam nur sehr wenig zustande. Unter Belastung brachten die „ach so guten Kontakte" doch nicht das, was man sich von ihnen versprochen hatte. Das Zusenden eines klassischen CVs (manche Interim Manager hatten ja nicht mehr) reichte nicht, um Anfragen und Aufträge auszulösen. Damit war – fairerweise anzumerken – auch Providern nicht geholfen.

Und weil Interim Manager mehrheitlich den digital gestützten Vertrieb nicht beherrschten, konnten sie das nicht ausgleichen. Kaum jemand konnte „über Nacht" starken Content wie Case Studies mit überzeugenden Fakten, Videos oder Argumentationen zum Mehrwert seiner Tätigkeit herbeizaubern und seinen Kunden digital zugänglich machen – und sich Kompetenzen im Marketing und Vertrieb entlang einer digitalen Customer Journey aneignen.

Der Aufbau von Awareness, Reichweite und Relevanz kostet viel Zeit, Hirnschmalz und, ja, tatsächlich: Geld – und das kontinuierlich! Schon die meisten der vorgenannten Begriffe (einschliesslich der Fragen: „Was sind Plattformen?, „Wie funktionieren sie?" und "Wie kann ich Plattformen für mich zielführend nutzen?") waren für die meisten Interim Manager absolutes Neuland. Das ist jetzt kein Vorwurf, sondern eine persönliche Beobachtung aus Gesprächen mit Hunderten von Interim Managern und Kunden in den Pandemiejahren 2020 / 2021.

Somit sei die These gewagt:

Die sich nicht erfüllende Hoffnung, persönlich-analoge Kundenkontakte würden es schon richten sowie unzureichende Kompetenzen im digitalen Vertrieb waren und sind die Ursachen für die aktuelle Situation!

Es bleibt jetzt jedem selbst überlassen einzuschätzen, ob der Vertrieb im B2B-Geschäft wieder so werden wird wie vor Corona – oder ob sich nicht ein paar Stellschrauben unwiderruflich geändert haben – und weiter verändern werden.

Wer das vertiefen möchte, der wird unter diesen Links wertvolle Hinweise für sich finden:

B2B-Vertrieb nach Corona: Worauf es jetzt zu achten gilt (vertriebszeitung.de)

Worauf es jetzt zu achten gilt: B2B-Vertrieb nach Corona - channelpartner.de

Wie kommen Interim Manager auf digitalem Weg an neue Projekte? - YouTube

Business Resilienz und 4 Szenarien für Interim Manager

Nicht nur schwarz gekleidete Pessimisten warnen vor weiteren Krisen, Unsicherheiten bei der Pandemie oder höheren Schwankungen (Volatilitäten) in der Konjunktur. Für mich, der ich jetzt seit 2003 im Interim Management der DACH-Region tätig bin, ist es bereits die dritte heftige Krise in der Branche. Interim Manager könnten sich fragen, ob der Aufbau von „Business-Resilienz" nicht auch etwas ist, was in eigener Sache Sinn macht. Für McKinsey ist das ein aktuell überragend wichtiges Thema: https://www.mckinsey.com/business-functions/risk/our-insights/the-resilience-imperative-succeeding-in-uncertain-times

Prinzipiell gibt es für Interim Manager die folgenden vier idealtypischen Szenarien:

(1) Ausstieg aus dem Interim Management Markt: Zurück in die Festanstellung oder Rückzug in die (Früh-) Rente, wenn es finanziell vertretbar ist.

(2) Sabbatical mit Weiterbildung zur Kernpositionierung – um nach der Krise mit frischem Know-how und (digitalen) Skills glänzen zu können. Für unseren wissenschaftlichen Beirat, Prof. Dr. Günther Singer aus Wien, ist das eine sehr valide Möglichkeit. Das zeigt sich auch in seinen Coachings mit Interim Managern und Angestellten, die sich selbst in diesen „trockenen Zeiten" einen Einstieg ins Interim Management überlegen.

(3) Konzentration auf den grössten Hebel im Vertrieb, den digitalen Direktvertrieb: Neben der Revitalisierung persönlich-analoger Kontakte nach Corona (dem nichts entgegensteht) müsste jedem klar geworden sein, JETZT aktiv zu werden und die digitalen Möglichkeiten zu nutzen. Das sage ich aus Überzeugung, und nicht weil ich Geschäftsführer von UNITEDINTERIM, einer digitalen Plattform, bin. Natürlich kann auch noch der kleinere Hebel, die Vermittlung durch Provider, aktiviert werden. Wenn Sie mögen: Hier ist die Liste von Providern in der DACH-Region: https://www.unitedinterim.com/provider

Im Hinterkopf ist zu berücksichtigen und in wertschätzender Weise anzuerkennen, dass professionelle Vermittler – wenn ihre Tätigkeit zum Auftrag führt – auch Geld verdienen müssen. Vordergründig wird das natürlich den Tagessatz, der sich für viele Interim Manager bereits an einer Zumutbarkeitsgrenze befindet, noch weiter reduzieren. Aber Auslastung ist auch ein Wert!

(4) Abwarten und weiter machen wie bisher. In dem Fall wird gehofft, dass alles wieder so wird wie früher – oder es so schlimm doch nicht werden wird. Man kann auch die Qualität der Studie oder die Sinnhaftigkeit meiner Thesen anzweifeln.

Natürlich lassen sich einige Szenarien auch kombinieren. Ich persönlich halte viel von fachlich-methodischer Weiterbildung (einschliesslich Beherrschung der neuen digitalen Tools zur Projektführung), einer präzise formulierten Positionierung mit Nutzendarstellung (auch dafür gibt es professionelle Anbieter, die unterstützen können) – ergänzt um eine professionell gemachte digitale Marktbearbeitung mit möglichst viel Reichweite in die Zielgruppe: Kontinuierlich und mit hochwertigem Content. Dazu ist die Nutzung von Plattformen allein schon aus Effizienzgründen unverzichtbar: Andere Branchen haben das unübersehbar klar gemacht.

Als Mensch hoffe ich, dass einige schöne Elemente des analogen Zeitalters bald wieder möglich sein werden. Ein Besuch bei Freunden, Geschäftspartnern und unserem wissenschaftlichen Beirat in Wien steht ohnehin an! Hoffen wir, dass möglichst viele Lokalitäten in altem oder neuem Glanz erstrahlen.

Sehen Sie´s mir nach, dass ich abschliessend noch einen humorvollen Seitenhieb Richtung „Wiener Lebensart" anfüge. Solche Zeiten sind – zumindest im Interim Management - (leider) heute wohl kaum noch zu finden. https://www.youtube.com/watch?v=SmctKnIYWF0. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass ein solcher Weg zumindest digital ergänzt werden muss!

Studie:

Bühler, Ranefeld-Rathbauer: „Der österreichische Interim Management Markt 2021" https://www.buehler-mgmt.com/fileadmin/user_upload/News/Bu__hler_Management_2021_Interim_Management_in_O__sterreich_2021_02062021_MTB.pdf

Weitere wichtige Links:

Worauf es jetzt zu achten gilt: B2B-Vertrieb nach Corona - channelpartner.de

B2B-Vertrieb nach Corona: Worauf es jetzt zu achten gilt (vertriebszeitung.de)

Business Resilience | McKinsey & Company

The resilience imperative: Succeeding in uncertain times | McKinsey

Tools und Methoden im digitalen Zeitalter - unitedinterim.com

Life and Career Design Consulting

Aktuelle AIMP-Umfragen: AIMP Arbeitskreis Interim Management Provider

Digital Customer Journey • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon

Interim Management: Wie sehen gute Unterlagen für den eigenen Vertrieb aus? Mit forma interim - YouTube

Wie kommen Interim Manager auf digitalem Weg an neue Projekte? - YouTube


Praktische Aspekte der Digitalisierung im HR-Berei...
Sie können sich nicht aus der Digitalisierung hera...
 

Kommentare 1

Gäste - Dr. Günther Singer am Montag, 28. Juni 2021 16:08

Dass die Interim Management Branche in einer Wirtschaftskrise einknickt, kann nicht verwundern. Die Unternehmen müssen sparen und zuerst ihre internen Personalressourcen nützen. Mit der Erholung der Wirtschaft, wird die Nachfrage wieder stärker werden.

Die Corona Krise fungiert als Brandbeschleuniger. Nachhaltige Trends realisieren sich nicht mehr in 5-10 Jahren, sondern in ab jetzt bis 5 Jahren.

Digitale Disruption ist Fakt und führt zu neuen Anforderungen für den Zukauf von Interim Managern. Digitale Anschlussfähigkeit zur Gestaltung digital basierender Prozessketten ist unverzichtbar, um in der eigentliche Kernkompetenz (Finanzen, Marketing, Human Resources) angefragt zu werden. Ich kann allen Interim Managern, die diese digitale Anschlussfähigkeit noch nicht besitzen, nur dringed raten, diese zu erwerben. Es ist eine Investition, die gut geplant werden muss und mehrere Monate an Lernzeit bedarf. Das Gelände ist hier sehr unübersichtlich und ich kann Ihnen nur empfehlen, diese Investition zur eigenen Transformation mit einem Coach/Lernscout zu planen. Er hilft Ihnen als Architekt. Bauen müssen Sie dann selbst.

Dass die Interim Management Branche in einer Wirtschaftskrise einknickt, kann nicht verwundern. Die Unternehmen müssen sparen und zuerst ihre internen Personalressourcen nützen. Mit der Erholung der Wirtschaft, wird die Nachfrage wieder stärker werden. Die Corona Krise fungiert als Brandbeschleuniger. Nachhaltige Trends realisieren sich nicht mehr in 5-10 Jahren, sondern in ab jetzt bis 5 Jahren. Digitale Disruption ist Fakt und führt zu neuen Anforderungen für den Zukauf von Interim Managern. Digitale Anschlussfähigkeit zur Gestaltung digital basierender Prozessketten ist unverzichtbar, um in der eigentliche Kernkompetenz (Finanzen, Marketing, Human Resources) angefragt zu werden. Ich kann allen Interim Managern, die diese digitale Anschlussfähigkeit noch nicht besitzen, nur dringed raten, diese zu erwerben. Es ist eine Investition, die gut geplant werden muss und mehrere Monate an Lernzeit bedarf. Das Gelände ist hier sehr unübersichtlich und ich kann Ihnen nur empfehlen, diese Investition zur eigenen Transformation mit einem Coach/Lernscout zu planen. Er hilft Ihnen als Architekt. Bauen müssen Sie dann selbst.
Donnerstag, 25. April 2024

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