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Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Dein Bauch hat längst entschieden – bevor dein Kopf auch nur zuhört!

Die landläufige Meinung ist, Entscheidungen werden auf Basis von Verstand und Vernunft getroffen, nicht von Gefühlen und nie spontan oder gar unbewusst. Die moderne Hirnforschung und Neuropsychologie zeigen nun das genaue Gegenteil: Ein Großteil unserer Entscheidungen fällt unbewusst! Wir erleben nur bewusst, was unser Gehirn bereits entschieden hat.

Gefühle steuern, Verstand rechtfertigt nur

Bei wichtigen Entscheidungen spielt das rationale Abwägen von Möglichkeiten und Alternativen eine große Rolle, aber dies findet immer im Rahmen unseres – nur zum Teil bewussten – emotionalen Erfahrungsgedächtnisses statt. Und hier bestimmt dasselbe Gedächtnis, quasi als kognitive Verzerrung (in unserer heutigen Zeit würde man von einem „Bias" sprechen), welche der Alternativen wir auswählen. Vernunft und Verstand sind in diesem Prozess nur Ratgeber, wenngleich oft sehr wichtige, aber sie entscheiden nichts!

In unserem Gehirn gibt es zwei Systeme: Das implizite und das explizite. Das implizite System ist der „Autopilot", es arbeitet weitgehend unbewusst. Dazu gehören die Sinneswahrnehmungen, Emotionen, viele Lernvorgänge, Faustregeln, Automatismen, intuitive Entscheidungen. Dieses System ist evolutionär und somit über die Millionen von Jahren entstanden. Es arbeitet enorm effizient, automatisiert und schnell und verarbeitet rund 11 Millionen Bits pro Sekunde. Der Code dieses System ist auf „action" getrimmt. Das explizite System ist der „Pilot". Mit diesem System denken wir (Arbeitsgedächtnis), es verarbeitet rund 40 Bits pro Sekunde. Hier spielt sich der Verstand ab, hier wird rational entschieden, geplant, durchdacht geantwortet. Der Code dieses Systems ist (Nach-)Denken.

95% Gefühl, 5% Alibi

Die Bedeutung des impliziten Systems war enorm wichtig für unser Überleben und damit auch für unser heutiges Leben. Denn das implizite System übernimmt das Steuerrad, wenn Situationen auftauchen, die kein „rationales" Nachdenken mehr ermöglichen. Übersetzt in unserer Welt sind dies Situationen wie Zeitdruck, information overload, Desinteresse oder ganz einfach Unsicherheiten bei Entscheidungen. Je mehr Auswahl oder je ähnlicher Produkte oder Marken sind, desto mehr steuert uns der Autopilot. Forschungen an der Harvard-Universität ergaben, dass das implizierte System rund 95% des (Kauf-)Verhaltens steuert!

Daher ist es für uns Marketer wichtig, Botschaften über unser Produkt, Marke oder Unternehmen in das implizite System zu integrieren. Dies geschieht in erster Linie über die Kontinuität und damit Disziplin im Senden von Botschaften. Nur dann kann der Autopilot richtig arbeiten…

Worin liegt nun der Unterschied zwischen einer „irrationalen" und einer „rationalen" Entscheidung? Also, spontan, „aus dem Bauch heraus" bzw. auf Grund des Abwägens von Alternativen? Beides wird von Emotionen bestimmt, in die Verstand und Vernunft in jeweils sehr individueller Weise eingebettet sind.

Wer hat´s erfunden?

Ausgangspunkt war ein medizinisches Experiment im Jahr 2002 am Universitätskrankenhaus der Emory University in Atlanta. Mit Hilfe eines Hirnscanners, besser bekannt als MRI (Magnetic Resonance Imaging), konnten die diversen Hirnareale, die bei einer Verkostung eines Lebensmittels „angesprochen" werden, aufgezeigt werden. So weit, so gut. Bei der Nennung einer Marke des Lebensmittels kamen Hirnbereiche dazu, welche bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht angesehen wurden, nämlich jene Bereiche der Speicherung von Emotionen. Damit wurde zum ersten Mal bewiesen, dass Emotionen mit völlig rationalen Prozessen gekoppelt sind. Und weil diese Tatsache enormen Wirbel in der medizinischen Fachwelt aber auch bei innovativen Markenunternehmen ausgelöst hat, fand man schnell einen Namen dafür: Das Neuromarketing war geboren.

Wo kommen nun diese Emotionen her? Wie lassen Sie sich zuordnen? Dazu müssen wir uns unser Gehirn näher ansehen: Im Zentrum unseres Gehirns gibt es einen Teil, den wir Limbisches System (LS) nennen. Es wird auch Reptiliengehirn genannt, weil es einer der ersten Teile unseres Gehirns in der Entwicklungsgeschichte war. Das LS stellt das Tor zwischen Hirnstamm und dem Großhirn dar. Dort sitzt unsere emotionale Bewertung, es ist also das Gefühlszentrum des Hirns. Denn Gefühle sind Bewertungen, die über alle Sinne gehen, quasi ein vorbewusstes Reaktionsbündel, ein angeborener Auslösemechanismus. Damit ist auch ein Zusammenhang mit dem Riechhirn gegeben, wo archaische Reaktionen (z.B. Brandgeruch -> Flucht) abgespeichert sind. Ein Teil des LS ist die Amygdala. Dort ist der Sitz der emotionalen Wahrnehmung. Wir reagieren sensitiv auf negative Reize, Konditionierungen (z.B. heiße Herdplatte) sind abgespeichert. Ein weiteres Teil im LS sind die Basalganglien. Diese sind das Zentrum der Intuition und der „Bauchentscheidungen". Intuition ist das Erkennen von Mustern – Achtung nicht zu verwechseln mit Instinkt! Bekannte Muster lassen uns zu schnellen (intuitiven) Entscheidungen kommen. Es ist auch das motorisches Zentrum, also Handlungen, die antrainiert sind bzw. oft wiederholt werden (Autofahren, Hand geben etc.) sind dort abgespeichert.

Keine Emotion? Für das Gehirn wertlos!

Wie laufen nun Entscheidungen ab? Unser Hirn ist grundsätzlich faul! Es sucht sich immer den einfachsten (und damit schnellsten) Weg zu einer Entscheidung zu kommen. Damit greift das Gehirn immer auf die Urinstinkte zuerst zurück, weil diese am schnellsten Reaktionsinformationen hervorrufen. Der Weg: Großhirn (Intelligenz) -> Basalganglien (Erfahrung/Intuition) -> Limbisches System (Emotion) -> Großhirn (Umsetzung). So nimmt der Mensch in erster Linie nur das wahr, was emotional für ihn am meisten Sinn macht, im Sinne von Lust-/Schmerzprinzip, Belohnungs-/Bestrafungsprinzip, Treffer/Fehler, sympathisch/nicht sympathisch.

Damit erklärt uns die Neuropsychologie, was für Werbebotschaften wirklich wichtig ist: Emotionen!!! Auf einen Nenner gebracht: keine Emotion? = für das Gehirn wertlos!

Mittlerweile ist es mehr als wissenschaftlich erwiesen: Emotionen sorgen im persönlichen Kontext für bessere Entscheidungen. Doch, Achtung! In Gruppen können Emotionen dysfunktional wirken, weil sie sich selbst intensivieren. Es ist ratsam, sich dieser Dynamik bewusst zu sein, z.B. bei Meetings oder Diskussionen: Emotionale Stimmungen und Narrative beeinflussen Entscheidungen und Meinungen stark. In der Gruppe lachen Menschen nicht nur lauter oder trauern intensiver, sondern werden auch wütender. Und sowas macht Menschen wiederum empfänglicher für die einfachen Narrative, z.B. von Populisten…

Fazit: Alles, was man schreibt, spricht, erzählt, gestikuliert, zeigt etc. sollte einen „emotionalen Mehrwert" beim Gegenüber auslösen! Es gilt Emotionen zu wecken: Nur dann bleibt man im Gedächtnis!

Und was für die Marketingwelt gilt, gilt selbstverständlich auch in all anderen Berufszweigen und im Leben. Nur wer Emotionen weckt, wird wahrgenommen und wahrnehmen heißt, Entscheidungen zu treffen…

Dietmar Karner
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Quellen bzw. weiterführende Literatur:

https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/unbewusste_entscheidungen_des_gehirns

https://www.spektrum.de/news/unbewusste-entscheidungen-im-gehirn/949689

https://www.websennsation.ch/blog/neurowissenschaften-wir-entscheiden-weniger-bewusst-als-vermutet/

https://psychologie-news.stangl.eu/764/psychologie-der-entscheidung.

https://neuronup.us/neuroscience/neuropsychology/decision-making-from-a-psychological-perspective/

https://www.marketing-support.eu/neuromarketing-oder-verkaufen-sie-limbisch/

https://www.konversionskraft.de/neuromarketing/limbic-map-types.html

https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/implizites-und-explizites-denksystem-bei-kaufentscheidungen/


Wichtige Autoren und Werke:

  • Gerald Zaltman: "How Customers Think: Essential Insights into the Mind of the Market"
  • Christian Scheier & Dirk Held: „Neuromarketing – Über den Mehrwert der Hirnforschung für das Marketing"
  • Hans-Georg Häusel: „Neuromarketing"
  • Hans-Georg Häusel: „Brain View: Warum Kunden kaufen"
Der Aufstieg Chinas und seine Auswirkungen auf KMU...
 

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Mittwoch, 13. August 2025

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