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Asset-Light-Modelle – Trend oder industrielle Informationsblase und Echokammer?

Fank P. Neuhaus - Spezialist für Brasilien mit Sitz in São Paulo
Seit Jahren nehmen wir bei iMB eine zunehmende Tendenz wahr, dass immer weniger Unternehmen die integrierten Produktionen behalten wollen und eigentlich eine Maximierung des Outsourcing in allen Bereichen wünschen.

Gefühlt wollen 50% der Führungskräfte die eigene Fertigung am liebsten auslagern, ganz ega,l ob wir mit lokalen Führungskräften oder jenen in den Mutterhäusern sprechen.

Wir glauben, dass das nicht immer eine gute Idee ist!

Als Grund geben gut zwei Drittel an, dass das verarbeitende Gewerbe einem starken Druck in Bezug auf Effizienz und Kostensenkung ausgesetzt sei.

Sofort heisst es, dass man daher stattdessen lieber auf ein Asset-Light-Modell setzen wolle – also den Fokus auf Vertrieb und Marketing legen – und die eigentliche Montage und anhängende Wertschöpfungen auslagern will. Davon raten wir jedoch ab.

Asset-Light-Modelle beziehen sich auf Geschäftsmodelle, bei denen der Schwerpunkt auf der Nutzung digitaler Dienstleistungen oder dem Outsourcing liegt, um die Kapital- und Arbeitskosten zu minimieren und gleichzeitig die Effizienz und Produktivität zu maximieren. Asset-Light-Modelle werden häufig eingesetzt, um die Kosten und die Komplexität des Geschäftsbetriebs zu reduzieren, so dass sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und „unwesentliche" Dienstleistungen wie Kundenservice, Buchhaltung und Logistik auslagern können. In der begeistert vorgetragenen Theorie können Asset-Light-Modelle die Flexibilität von Unternehmen erhöhen, indem sie ihnen ermöglichen, ihre Geschäftsstrategien schnell an veränderte Marktbedingungen anzupassen.

Diesen Kontext bekommen wir seit der Pandemie immer wieder und vermehrt zu hören. Und genau in diese Richtung soll eine Reorganisation oder Transformation dann getrieben werden.

Asset-Light-Modelle in der Produktion können Unternehmen sogar eher schaden. Denn sie riskieren so den Verlust eines strategischen Wettbewerbsvorteils mit massiven Folgen. Die Intelligenz für Transformationsprojekte kann verloren gehen. Resiliente Wertschöpfungsketten werden in weite Ferne gerückt.

Rückblick: Was war Outsourcing in seiner Essenz?

Rund um den Globus begleitet uns das Wort seit Dekaden. Manchmal ist es sehr hilfreich, sich noch einmal das vor Augen zu führen, was uns so einfach über Lippen geht.

Outsourcing ist ein Begriff, der den Prozess der Beauftragung eines Drittanbieters mit bestimmten Aufgaben oder Dienstleistungen beschreibt. In der Fertigungsindustrie ist es gängige Praxis, bestimmte Prozesse oder Komponenten des Produktionsprozesses auszulagern, um Geld und Zeit zu sparen.

Durch Outsourcing kann ein Unternehmen seine Gemeinkosten senken, seine Effizienz steigern und seine Ressourcen auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Outsourcing kann in praktisch jedem Bereich der Fertigungsindustrie eingesetzt werden. Häufig wird die Produktion von Komponenten oder Teilen sowie die Montage von Fertigprodukten ausgelagert. Darüber hinaus kann Outsourcing auch zur Auslagerung von Design, Forschung und Entwicklung sowie Marketing und Vertrieb genutzt werden.

Outsourcing ist für Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes von Vorteil, da sie sich so auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können und nicht mit unwesentlichen Aufgaben belastet werden. Außerdem werden die Gemeinkosten gesenkt, da sie nicht mehr für Arbeit, Material und Ausrüstung aufkommen müssen.

Außerdem können Unternehmen durch Outsourcing auf Fachwissen und Ressourcen zugreifen, die sie möglicherweise nicht im eigenen Haus haben.

Beim Outsourcing ist es wichtig, nicht nur die Kosten, sondern auch die Qualität der angebotenen Dienstleistungen oder Produkte zu berücksichtigen. Außerdem ist es wichtig, eine Beziehung zum Outsourcing-Anbieter aufzubauen und sicherzustellen, dass die Kommunikation zwischen den beiden Parteien klar und einheitlich ist.

Insgesamt ist Outsourcing für Unternehmen der verarbeitenden Industrie eine gute Möglichkeit, die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken, ohne Abstriche bei der Qualität zu machen. Durch die Nutzung des Fachwissens und der Ressourcen, die durch Outsourcing zur Verfügung stehen, können sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, die Gemeinkosten senken und auf die Ressourcen zugreifen, die sie benötigen, um auf einem wettbewerbsorientierten Markt erfolgreich zu sein.

Soweit das allgemein Verständnis wenn es um Outsourcing und nachfolgend um Asset-Light-Modelle geht.

In gut 18 Jahren Projekten der Reorganisation, Restrukturierung, Transformation von Geschäftsmodellen und Post-Merger-Integrationsprojekten, können wir auf der Habenseite feststellen, dass Outsourcing in Brasilien kein Fremdwort in der Fertigungsindustrie ist.

Outsourcing ist schon seit Jahrzehnten Teil faktisch aller Branche, hat aber in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, besonders seit der Finanzkrise in beschleunigter Form. Nationale und internationale Unternehmen erkennen die zahlreichen Vorteile, die das Outsourcing mit sich bringen kann, von Kosteneinsparungen bis hin zu größerer Effizienz.

Sprechen wir mal über die Vorteile!

Hier sind einige der Vorteile des Outsourcing in der Fertigungsindustrie, welche wir in Projekten immer wieder in unterschiedlichsten Ergebnissen feststellen konnten.

Kosteneinsparungen
Immer wieder konnten wir nachhaltig feststellen, dass die Auslagerung von Fertigungsprozessen Mandanten helfen konnte, ihre Kosten zu senken und ihre Rentabilität zu steigern. Auch die regionale Auslagerung in andere Bundesstaaten oder Regionen innerhalb des gleichen Bundesstaates mit niedrigeren Arbeits- und Logistikkosten können helfen, die Gemeinkosten zu senken und die Endergebnisse zu verbessern. Hier ist allerdings zu beachten, dass Arbeitskosten in Brasilien nicht als vorrangiges Problem betrachtet werden sollten, da es einen grundsätzlichen Mangel an gut qualifizierten Arbeitskräften gibt. Logistikkosten bei einer Nation von der Größe der USA minus Alaska haben einen strategischen und taktischen Charakter und sind in allen Szenarien mit hoher Priorität zu evaluieren.

In wenigen Fällen gelang es auch durch Outsourcing Materialkosten zu senken. Dieser Aspekt hat seit der brutalen Abwertung des Real seit Q3 2019 allerdings an Durchschlagkraft verloren.

Effizienz
In der Vergangenheit konnten wir bei Mandanten immer wieder robust feststellen, dass durch Outsourcing ihre Effizienz gesteigert werden konnte, da man sich nun auf die neu und klar definierten Kernprozesse konzentrieren konnte, während andere Aufgaben von Drittanbietern erledigt werden.

Auf diese Weise konnten wir sicherstellen, dass unsere Kunden ihre Ressourcen besser verwalten und eine höhere Effizienz erreichen konnten. Allerdings wird der Fokus immer mehr auf Automation und Digitalisierung gelenkt. Auch hier sind erhebliche Nachteile durch die desaströse Politik der Abwertung des Real seit 2019 mit erheblichen Auswirkungen zu beobachten.

Zugang zu neuen Technologien
Outsourcing verhalf in einigen Fällen unseren Mandanten, Zugang zu neuen Technologien und Verfahren zu erhalten, mit denen sie die Qualität ihrer Produkte verbessern und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern konnten. Durch Outsourcing können diese Unternehmen die neuesten Technologien und Verfahren nutzen, ohne selbst in sie investieren zu müssen. Das hat besonders in den Zeiten der Boom-Jahre Brasiliens mit einem relativ stabilen und höher bewertetem Real einen nachhaltigen komparativen Vorteil der brasilianischen Industrie gebracht. Die bewusst herbeigeführte Abwertung des Real seit 2019 hat brasilianische Unternehmer vom internationalen Investitionsstrom abgekoppelt, so dass Investitionen in Technologien zur Produktivitätssteigerung nur noch schwerlich stattfinden konnten.

Erhöhte Flexibilität
In der Vergangenheit boten sich durch Outsourcing unseren Mandanten auch eine größere Flexibilität, da sie je nach Bedarf schnell reagieren konnten. Dies half den Unternehmen, ihre Ressourcen besser zu verwalten und sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen. Das galt besonders in den Boom-Jahren mit starkem Real und dem sozialen Aufstieg vieler Brasilianer in die neue Mittelschicht.

Insgesamt, so sollte man annehmen, bietet das Outsourcing eine Reihe von Vorteilen für Unternehmen der verarbeitenden Industrie. Durch Outsourcing können die Unternehmen ihre Kosten senken, ihre Effizienz steigern, Zugang zu neuen Technologien erhalten und eine größere Flexibilität erreichen. Letztendlich könnten diese Vorteile unseren Mandanten helfen, ihre Rentabilität zu steigern und in der Branche wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der aufmerksame Leser bemerkt den Konjunktiv. Man darf die Nachteile nicht ausser Acht lassen, vor allem unter dem Eindruck der massiven sozial-ökonomischen tektonischen Verschiebungen im brasilianischen Markt. Seit ca. 2015 kam der Prozess, immer mehr Brasilianer in die neue Mittelschicht zu transferieren, zum Stillstand. Seit etwa 2017 ist der Prozess sogar sichtbar rückläufig, was sich dann ab 2019 durch die Zinspolitik zur massiven Abwertung des Real deutlich beschleunigte und durch die Pandemie nochmals verschärft wurde. Unternehmen, welche Lieferanten sein können, brachen zusammen und hatten kein Kapital für Investitionen mehr. Dazu kam die empfindliche Reduktion des Konsumentenmarktes.

Sprechen wir mal über die Nachteile!

Die verarbeitende brasilianische Industrie setzte seit Jahrzehnten auf Outsourcing, um Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern.

Das Outsourcing hat jedoch seine eigenen, immer stärker sichtbar werdenden Nachteile, die sich negativ auf die Qualität der Produkte, die Arbeitsmoral der Mitarbeiter und den Gesamterfolg des Unternehmens auswirken können.

Gerade in den vergangenen Jahren konnten wir klar feststellen, dass einer der größten Nachteile des Outsourcings in der verarbeitenden Industrie die potenziell schlechtere Qualität der Produkte ist. Diese Tendenz konnten wir klar ab ca. 2015/16 langsam, aber stetig steigend, beobachten.

Die ersten Zeichen nahmen wir in Projekten der brasilianischen Automobilindustrie sowie der Verpackungsindustrie wahr.

Wenn die Produktion ausgelagert wird, hat man weniger Kontrolle über die Qualität des hergestellten Produkts. Die Unternehmen verloren immer mehr die direkte Kontrolle über den Produktionsprozess, was zu minderwertigen Produkten führte, welche nicht den Standards der Montageunternehmen oder der Systemlieferanten entsprach. Zunehmend sahen wir Mandanten, welche tägliche Rückweisungen der Produktion zwischen 50 bis zu 100% sahen. Das sollte dann durch eine erhöhte und nicht selten fremdvergebene Qualitätskontrolle, allen voran in der Automobilindustrie, ausgeglichen werden. Das führte zu steil ansteigenden Prozesskosten, auch nahm die Komplexität der Produktion und deren Controlling immer weiter zu. Der Charakter des Controlling entwickelte sich vielmehr zu einem reaktiven Prozess und nicht mehr zu einem fundamental wichtigen Werkzeug in der gestalterischen Transformation von Prozessen und Geschäftsmodellen.

Ein weiterer Nachteil des Outsourcing ist der Verlust der Kontrolle über den Produktionsprozess. Wenn die Produktion ausgelagert wird, gibt es keine oder nur eine stark verminderte Möglichkeit sicherzustellen, dass die Standards und Verfahren des Unternehmens eingehalten werden.

Dies führte zu immer weiter steigenden Produktionsverzögerungen, minderwertigen Produkten und mangelnder Verantwortlichkeit für die Qualität des hergestellten Produkts. Die typische Reaktion: Nachtarbeit, Wochenendschichten – und im Ergebnis ein dramatischer Kostenanstieg.

Darüber hinaus kann die Auslagerung zu einer Verschlechterung der Arbeitsmoral der Mitarbeiter führen. Wenn die Produktion ausgelagert wird, haben die Mitarbeiter möglicherweise das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht geschätzt oder gewürdigt wird.

Dies führte zu einem Rückgang der Produktivität und einem Gefühl der Loslösung vom Unternehmen. Mit der Pandemie hat sich dieser Prozess besonders bei den gut qualifizierten brasilianischen Professionals massiv verfestigt.

Und damit schließlich kann Outsourcing kostspielig sein. Es mag den Anschein erwecken, als sei Outsourcing eine kosteneffiziente Methode zur Herstellung von Produkten, aber wenn es nicht richtig gemacht  oder übertrieben wird, kann es zu zusätzlichen Ausgaben und Gewinneinbußen führen.

Zurück im Jetzt – Asset-Light-Modelle

Nicht selten sahen wir in solchen Situationen einen massiv ansteigenden Druck seitens der internationalen Mutterhäuser die Administration ebenfalls fremd zu vergeben und ein BPO unter Vertrag zu nehmen. Damit explodierte die Komplexität und ein Process Mining zum detaillierten Verständnis der Problem-Kausalitäten ging immer mehr verloren. Die BPO-Anbieter waren zwar in der Lage, das Problem zu benennen, aber sie besitzen in der Regel keine Kapazität um ein Process Mining durchführen zu können. Damit wird die Problemlösung maximal nur noch taktisch durchgeführt; die strategische Sicht ist eliminiert.

Unternehmen müssen bei Asset-Light-Modellen ausgesprochen vorsichtig sein, um sicherzustellen, dass es kosteneffizient und vorteilhaft für das Unternehmen ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Asset-Light-Modelle in der verarbeitenden Industrie zwar ein vorteilhafter Weg zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung sein können, dass man sich aber auch der möglichen erheblichen Nachteile bewusst sein muss. Unternehmen sollten ihre Asset-Light-Modell-Strategie sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass sie kosteneffizient und vorteilhaft für das Unternehmen ist. Dieser Prozess der Evaluierung sollte in keinem Fall unter dem einzigen Gesichtspunkt der Opportunitätskosten erfolgen!

Der größte Nachteil von Asset-Light-Modellen besteht darin, dass sie keine Kontrolle über die Qualität der angebotenen Dienstleistungen oder Produkte haben. Ohne physische Anlagen und Infrastruktur sind Unternehmen nicht in der Lage, die Qualität der von ihnen angebotenen Dienstleistungen oder Produkte zu überwachen, was zu unbefriedigenden Kundenerfahrungen führen kann. Darüber hinaus sind Asset-Light-Modelle anfälliger für externe Faktoren wie Störungen in der Lieferkette, da sie von Drittanbietern und Dienstleistern abhängig sind. Und schließlich erfordern Asset-Light-Modelle häufig einen höheren Kapital- oder Fremdfinanzierungsbedarf, um die für ihren Betrieb erforderlichen Dienstleistungen oder Produkte zu erwerben.

Gerade in den letzten ca. 2-3 Jahren haben wir erschreckende Beispiele für Asset-Light-Modell-Projekte gesehen.

Asset-Light-Modelle in der Produktions-nahen Lagerhaltung: administratives Chaos, schlecht ausgebildete Gabelstablerfahrer mit allen Konsequenzen für Material und betriebliche Unfälle, aber sensationell niedrige Kosten … .

Asset-Light-Modelle in der Administration: der Mandant wurde in ein BPO-System gedrückt, welches nicht die Komplexität der Wertschöpfung widerspiegelt, nur die vorhandenen Probleme sichtbar macht, ohne bei der wahren Beseitigung helfen zu können. Der Mandant verliert die Fähigkeit, eigenes Process Mining zu machen und begibt sich auf einen Blindflug ohne Notausgang.

Effekt: Mandanten verlieren die Möglichkeit wirklich strategische Szenarien zu kreieren, da nur noch taktisch bestimmtes Handeln existiert. Die Kreativität im freien Fall.

Das alles steht dem Druck, resiliente Lieferketten und Wertschöpfungsketten aufzubauen, diametral entgegen – jedenfalls in den meisten Fällen.

Unsere generelle Empfehlung aus nun fast zwei Dekaden Reorganisation, Geschäftsentwicklung und Transformation:

Eine Neugestaltung der Produktion unter Berücksichtigung von Megatrends wie Nachhaltigkeit, Regionalisierung und/oder Individualisierung suchen – das schafft Wettbewerbsvorteile. Asset-Light-Modelle können in extrem standardisierten und massiv auf Economies of Scale ausgelegte Produktionen interessant sein.


Frank P. Neuhaus
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