UNITEDINTERIM Blog

Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Gut aufgestellt?

Im Laufe meines beruflichen Werdegangs habe ich viele Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen sowie Unternehmer und Führungskräfte kennenlernen dürfen.

Seit 1995 stehe ich im Berufsleben, also nunmehr 25 Jahre. In diesem Zeitraum ereilten uns mehrere Krisen: Im Jahr 2000 die sogenannte Dotcom-Krise (oder besser bekannt als das Platzen des Neuen Marktes), 2007 die weltweite Finanzkrise und 2020 die Corona-Krise. Alle Krisen haben eines gemeinsam: Nämlich, dass es immer Unternehmen gibt die gegen den Trend wachsen oder besser durch die Krise kommen als andere. Verluste oder Insolvenzen sind auch in Weltwirtschaftskrisen kein Naturgesetz.

Was macht diese Unternehmen aus? Was machen sie besser als andere? Wieso gehen Unternehmer einer Branche in die Insolvenz und andere übernehmen in der gleichen Branche zur gleichen Zeit die Wettbewerber? Auf den folgenden Ausführungen möchte ich Ihnen die wesentlichen Punkte nennen, die in der Unternehmensführung aus meiner Sicht die Spreu vom Weizen trennen. Und damit die Gründe, warum Unternehmen meines Erachtens scheitern oder nicht ihr volles Potenzial entfalten. Insgesamt konnte ich gut 50 Gründe identifizieren, von denen ich Ihnen in diesem Beitrag einen Auszug nennen möchte.

FEHLENDE FÜHRUNG

Führung kann man mit „verantwortlichem Leiten" übersetzen. Der Fisch stinkt dabei - im wahrsten Sinne des Wortes - zuerst vom Kopf. Unternehmen machen häufig nur die Umsätze, die sie nicht verhindern können. Ein gutes Produkt oder eine gute Dienstleistung, eine stabile Konjunktur und ein Marktumfeld mit Mini-Zinsen haben selbst schlecht geführte Unternehmen prosperieren lassen. Im Gegensatz zu den gut aufgestellten Firmen machen Unternehmer und Führungskräfte aber nicht ihre Hausaufgaben. Führungskräfte und Mitarbeiter leben im Zimmer der Zufriedenheit. Schönwetter-Kapitäne und Schönwetter-Mannschaft. Bei den nachfolgenden Punkten werden Sie erkennen, dass jedes Problem auf das Thema Führung zurückzuführen ist, da jedes Problem im Unternehmen am Ende immer ein Personalproblem ist!

ZU HOHE FIXKOSTEN

Auch überproportional hohe Fixkosten sind am Ende auf mangelnde Führung zurückzuführen. Oder auf fehlende Konsequenz, was am Ende auch wieder ein Führungsthema ist. Beispiele für zu hohe Fixkosten sind in zu vielen Stabsstellen begründet, fehlende Konsequenz bei Firmenintegrationen mit ausbleibenden Synergieeffekten, zu hohe Infrastrukturkosten bei geringer Produktivität, kein wirksam atmendes Entlohnungssystem über alle Ebenen, Digitalisierung ohne ein Festschreiben der Gegenfinanzierung oder zu viele Hierarchieebenen.

KEINE KAUFMÄNNISCHE STEUERUNGSZENTRALE

In vielen Firmen werden insbesondere Buchhaltung und Controlling als Kostenfaktor und weniger als Rückgrat des Unternehmens gesehen. Entsprechend steht es um das interne Standing. Alle, wirklich alle starken Unternehmen, die kenne, haben ein ganz starkes Controlling und einen starken CFO. Umgekehrt ist es bei ausnahmslos allen Problemfällen. Eine starker Finanzbereich muss das betriebswirtschaftliche Gewissen des Unternehmens sein. Diese Steuerungszentrale etabliert Frühwarnsysteme, hat die Liquidität im Blick, sorgt für ein straffes Debitoren-Management, behält die Höhe und damit die Liquiditätsbindung des Vorratsvermögens im Auge u. v. m.. Aber ganz entscheidend ist, dass sie eng verzahnt mit dem operativen Geschäft arbeitet und entschieden auf Missstände hindeuten darf und dies auch tut.

FINANZIERUNG AUS ABSCHREIBUNGEN

Viele Unternehmen finanzieren zu viel aus dem laufenden Cashflow. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar, führt aber dazu, dass Investitionen nicht fristenkongruent finanziert sind. Unternehmen sind gut beraten, langfristige Investitionen auch langfristig zu finanzieren. Der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit muss alles untergeordnet werden. Dass die Philosophie „Cash is King" richtig ist, bekamen die Unternehmen zuletzt in der Corona-Krise zu spüren.

FEHLENDES INNOVATIONSBEWUSSTSEIN

Jedes Geschäftsmodell wird irgendwann angegriffen. Dieser Umstand ist vielen Unternehmen nicht bewusst oder wird ausgeblendet. Beispiele gibt es genug. Sie alle kennen die Geschichte von Nokia und Apple, die Entwicklung von Kodak oder die enormen Veränderungen in der Automobilindustrie. Ganz zu schweigen von den Herausforderungen des stationären Handels in der digitalen Welt. Unternehmen sind gut beraten, ein Ohr am Markt zu haben und Budgets für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder bereitzustellen. Versuch und Irrtum müssen erlaubt sein. Nur durch Probieren und Scheitern testet man die Reaktion des Marktes bzw. die Praktikabilität des neuen Geschäftsmodells. Parallel hierzu muss das eigene Geschäftsmodell kritisch hinterfragt werden. Paradebeispiel ist der konsequente Umbau von TUI. Das Unternehmen schaffte den Kurswechsel vom Touristik-und Schifffahrtskonzern zum Reiseanbieter. Im Übrigen beschreibt der sogenannte „iPhone-Moment" den Zeitpunkt, an dem Unternehmen den Vorsprung eines Wettbewerbers nicht mehr aufholen können.

VERSCHIEBEBAHNHOF

Ein Klassiker, der mir in vielen Unternehmen begegnet ist, ist der sogenannte Verschiebebahnhof. Damit meine ich das Phänomen, dass nicht mehr benötigte Mitarbeiter in andere Unternehmensbereiche verschoben werden. Das führte in meinen Beobachtungen zum Beispiel im Automobilhandel dazu, dass sich gut ausgebildete Serviceberater auf einmal im Fahrdienst oder in der Fahrzeugaufbereitung wiederfanden. Dann auch noch tarifgebunden, wurden diese Mitarbeiter jedes Jahr teurer bei gleichzeitiger Verlängerung der Betriebszugehörigkeit und entsprechend stetig anwachsender Kündigungsfrist. Gerät das Unternehmen nun in eine existenzbedrohliche Krise, fallen den Unternehmen diese Themen auf die Füße und können kaum noch gelöst werden. Sanierung kostet Geld, was den Unternehmen in der Krise jedoch regelmäßig fehlt. Entsprechend ist jedes Unternehmen gut beraten, Personalprobleme zu lösen und nicht zu moderieren. Und zwar zu der Zeit, in dem das Unternehmen noch aus einer Position der Stärke handelt.

FALSCHE UNTERNEHMENSINTEGRATION

Unternehmen vergaloppieren sich regelmäßig in ihrer Expansion. Anorganisches Wachstum gelingt am besten dann, wenn man gut laufende Unternehmen übernimmt - diese nicht oder kaum verändert - und sich der Kapitaldienst im Idealfall aus dem Cashflow des übernommenen Unternehmens weitestgehend selbst finanziert. "Gutes gemeinsam besser machen" sollte die Devise sein. Viele Unternehmenskäufe sind am Ende keine Erfolgsstory, weil man versucht, gesunde und erfolgreiche Unternehmen krampfhaft zu integrieren, anstatt als Konzernmutter lediglich unterstützend zur Seite zu stehen.

Übernimmt ein Unternehmen allerdings einen schwachen Marktteilnehmer, kommt es in erster Linie auf das Heben von Synergieeffekten aus den administrativen Bereichen (Finanzen, Rechnungswesen, Controlling, HR, Marketing, IT etc.) und der Anpassung der Führungsstruktur an. Das Zauberwort heißt "Konsequenz". Doppelungen in den Funktionen gilt es zu vermeiden. Viele Unternehmen scheitern daran, dass sie diese Potenziale nicht realisieren und am Ende doppelte Kostenstrukturen haben. Abseits der Potenziale auf der Personalseite ist die IT-Infrastruktur zu harmonisieren. Auch hier ist Konsequenz der Schlüssel zum Erfolg, da Komplexität und Heterogenität grundsätzlich Kostentreiber Nummer 1 sind.

Die vorangegangene Aufzählung ist nicht abschließend. Geraten Unternehmen in die Schieflage, ist dies in der Regel auf eine Vielzahl an Gründen zurückzuführen. Die Addition, bzw. das Zusammenwirken, macht am Ende die explosive Mischung aus.

Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, den Blick von außen zuzulassen und externe Beratung und Sparring als existentiellen Mehrwert zu begreifen. Als Unternehmer ist man weiter gut beraten, Führung einzufordern und selbst zu leben. Das bloße Besetzen von Führungspositionen ist am Ende zu wenig. Führungskräfte müssen daran gemessen werden, ob Sie ihren Verantwortungsbereich weiterentwickeln und beweisen, dass sie auch in schlechten Zeiten ihrer Verantwortung gerecht werden. Das fängt damit an, in guten Zeiten die Grundlage zu legen, um in der Krise gut aufgestellt zu sein.

Ulf Camehn
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Logistik: Personalabbau über Interessenausgleich u...
Food: Werksoptimierung durch Einführung von Lean P...
 

Kommentare 1

Gäste - Leonie Ebermann am Dienstag, 28. Juli 2020 08:47

Sehr geehrter Herr Camehn,

die Punkte, die Sie in Ihrem Artikel darstellen, sind wirklich sehr gut und definitiv nicht zu übergehen! Denn gerade das Innovationsbewusstsein oder auch Veränderungsbewusstsein in der immer wieder digitaler werdenden Arbeitswelt ist sehr wichtig für die einzelnen Unternehmen. Vielen Dank für die Denkanstöße!

Viele Grüße!

Sehr geehrter Herr Camehn, die Punkte, die Sie in Ihrem Artikel darstellen, sind wirklich sehr gut und definitiv nicht zu übergehen! Denn gerade das Innovationsbewusstsein oder auch Veränderungsbewusstsein in der immer wieder digitaler werdenden Arbeitswelt ist sehr wichtig für die einzelnen Unternehmen. Vielen Dank für die Denkanstöße! Viele Grüße!
Donnerstag, 18. April 2024

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