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Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Maschinenbau – Luftfilter: Turnaround der Produktion

Branche: Maschinenbau – Produktion von Luftfiltern für Laboratorien, Krankenhäuser (z. B. OP-Säle), Gebäude-Klimaanlagen usw.

Linienfunktion: General Management - Operations (Managing Director mit Verantwortung für vier Werke (NL, SK, F, UK))

Themen: Footprint-Strategie, Lean, 5S, TPM, EHSQ, SOP, Gemba-Walks, Scrum, OEE, Visuelles Management, OTD, KPI, PPM, Turnaround

Umsatz: ca. 250 Mio. Euro der vier und später drei Werke

Mitarbeiter: ca. 100 FTEs in UK/F und in der Slowakei 100 FTEs. Aufbau der Belegschaft im Standort Slowakei auf über 250 FTEs und Abbau derselben Mitarbeiterzahl in den Niederlanden

Situation:

Das vorherige Management und der Betriebsrat hatten einen Konflikt wegen der Schließung des niederländischen Werks. Dieser Umstand machte es unmöglich, die slowakischen Fertigungsmitarbeiter auf die neuen Produkte zu schulen. Die neu erworbenen robotisierten Anlagen wurden zwölf Monate zu spät geliefert und waren teilweise falsch programmiert. Die zu verlagernden Anlagen aus den Niederlanden erfüllten die EU-Sicherheitsrichtlinien nicht. Als ich die Verantwortung übernahm, waren keine Vorbereitungen oder Pläne für die Verlagerung der Maschinen und die Übernahme der Produktion ausgearbeitet. Der slowakische Standort hatte auf dem Papier 100 FTEs – in der Realität waren es allerdings nur knapp die Hälfte. Diese Zahl reichte weder für die bestehende Produktion noch für die verlagerte und zusätzliche Produktion mit den neuen Maschinen. Eine Personalabteilung war in der Slowakei nicht vorhanden und die Gehälter wurden mindestens eine Woche zu spät ausbezahlt. Eine Fluktuationsrate von 70% aufgrund der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften in den (Automotive) Industrien, die bessere Gehälter zahlten.

Aufgaben:

(1) Umsetzung der Footprint-Strategie, bestehend aus der Schließung des niederländischen Werks, der Verlagerung der Produktion/Produktionsanlagen und des (Roh-) Materialbestands in den bestehenden Standort in der Slowakei; (2) Abbau des Produktionsrückstands; (3) Einführung Lean Production mit 5S, TPM und EHSQ; (4) Unvollständige SOPs, Produktdokumentation, inkomplette Zeichnungen und Stücklisten im ERP-System vervollständigen.

Lösung:

(1) Mit der bestehenden Werksleitung in der Slowakei bildete ich ein Team und delegierte das Tagesgeschäft in ihre Abteilungen. Gleichzeitig wurden tägliche «GEMBA-Walks» eingeführt sowie kurze, flexible (SCRUM) morgendliche Produktionsmeetings, bei denen Produktionsleistungen analysiert, Lösungsmaßnahmen erarbeitet und deren Umsetzung überwacht wurden.

(2) Um die slowakischen Arbeitnehmer transparent über Strategie und Maßnahmen zur Reduzierung des Produktionsrückstands zu informieren, wurden regelmäßig Versammlungen mit der ganzen Belegschaft abgehalten. Diese Offenheit war der Grundstein für eine veränderte Betriebskultur, bei der ich die Mitarbeiter aktiv aufgefordert habe, sich mit Ideen und Verbesserungsvorschlägen einzubringen.

(3) Die Mitarbeiter der Produktion erklärten sich bereit, Überstunden zu leisten und so den Produktionsrückstand abzubauen.

(4) Des Weiteren wurde in den Aufbau von Beziehungen investiert – zu Stakeholdern wie (internen) Kunden, Mitarbeitern, dem internationalen Management, Betriebsräten, lokalen Behörden und Vermietern.

(5) Personal: Aufbau einer Personalabteilung zur Rekrutierung der fehlenden Mitarbeiter in der Slowakei. Senkung der Fluktuationsrate von 70%: Ergreifen von Maßnahmen für die rechtzeitige Lohnzahlung sowie die Einführung eines automatischen Zeiterfassungs-/Lohnbuchhaltungs-/Personalsystems. Mit diesem System können auch die für die Slowakei erforderlichen Angaben wie z.B. absolvierte Sicherheitskurse, Ausbildung, zur Verfügung gestellte PSA, Arbeitskleidung, Urlaubstage erfasst werden. Wechsel zu einer Lohnbuchhaltungsfirma, die in der Lage war, die erfassten Daten direkt im kompatiblen Lohnbuchhaltungssystem zu verarbeiten. Nach der Systemeinführung erfolgte die Auszahlung immer rechtzeitig.

Mit der Implementierung von finanziellen Anreizen, einem gerechten Lohnmodell, einem internen Weiterentwicklungsprogramm sowie einem besseren Arbeitsklima sank die Fluktuationsrate nach zwölf Monaten auf 10%. Mit der neuentwickelten Talentmanagement-Strategie konnten die zusätzlich benötigten 250 Mitarbeiter gefunden, eingestellt und langfristig beschäftigt werden.

Die Mitarbeiter der Produktion erhielten sowohl technische Schulungen als auch Schulungen am Produkt, um Qualität und Produktionsausstoß signifikant zu steigern. Auch Ideen der Mitarbeiter, um die Produktivität zu verbessern oder effizienter/einfacher zu arbeiten, habe ich aktiv unterstützt. Die patriarchale Führung der Vergangenheit kreierte viele ineffiziente bürokratische Prozesse und Arbeitsabläufe, welche ich schrittweise änderte.

Besonders wurde von meinen Mitarbeitern geschätzt, dass ich ihnen im Unternehmen Zukunftsaussichten, mehr Eigenverantwortung, Vertrauen und Ehrlichkeit mit einer toleranteren Fehler- und Lernkultur geboten habe.

(6) Produktion: Visual Management, Overall Equipment Efficiency (OEE) und Neueinführung von Lean Production, stringentes EHS sowie Qualitätssicherung: Um die Produktion zu erhöhen und die Ursachen der Produktionsstillstände zu eliminieren, habe ich an jeder Produktionslinie einen PC mit großem TV-Bildschirm installiert, sodass die Produktionsleistung für alle sichtbar wurde. Um sicherzustellen, dass die Produktionszahlen stimmen, habe ich Sensoren an der Maschinensteuerung montieren lassen, damit Start-/Stopp-Signale registriert wurden. Die Mitarbeiter müssen die Gründe für einen Produktionsstopp am PC eingeben. Mit dem einfachen webbasierten Programm können Ursachenforschungen und Auswertungen gemacht werden, die jederzeit von überall her (z. B. Handy) abrufbar sind. Nach anfänglicher Skepsis wurde das System akzeptiert und half, die größten Schwierigkeiten zu überwinden. So wurden z. B. an den Wochenenden umfangreichere Wartungsarbeiten eingeplant und damit Maschinenstillstände vermieden.

In einem zweiten Schritt wurden die Produktionslinien-PCs um die ERP-Funktionalität erweitert, damit die Produktionsmitarbeiter im ERP-System die nächsten Produktionsaufträge einsehen und vorbereiten können.

Darüber hinaus können sie den Fertigungsauftrag im ERP-System als «fertig» melden und das verbrauchte Auftragsmaterial unmittelbar abbuchen. Diese Maßnahmen haben zu einer signifikanten Senkung des Materialausschusses, der Inventurdifferenzen, des Suchens von Material usw. geführt. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass für die Produktionsplanung ohne Produktionsrundgang immer aktuelle Informationen zur Verfügung stehen. Auch die Versandabteilung profitierte, weil mit diesen Angaben die Waren quasi automatisch abgeholt und für den Versand vorbereitet werden können.

Mit den o. g. Systemen habe ich auf die bisherigen geschönten Excel-Tabellen verzichtet und die bislang mit Excel-Tabellen beschäftigten Mitarbeiter u. a. gebeten, in enger Kooperation mit der Abteilung Verkauf Informationen für den Aufbau der Bedarfsplanung zu erarbeiten. Mit diesen Angaben konnten wir die Produkteverfügbarkeit verbessern und die Lagerbestände reduzieren.

Einführung von Total Productive Maintenance (TPM), bei dem die Mitarbeiter während des Produktionsstillstands einfache Wartungs- und Reinigungsarbeiten erledigen. Dadurch wurde die OEE erfolgreich erhöht.

(7) Verlagerung der Produktionslinien, Sicherheit, Installation der neuen Produktionsmaschinen

Diese Aufgabe hat mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant, da die Angaben zur Wiederinstallation der alten, zu verlagernden Maschinen falsch waren. Das führte dazu, dass z. B. die verfügbaren Stromkabel und Anschlüsse sowie die Anschlüsse zur Absaugung gefährlicher Stoffe (z. B. Leim) unzureichend waren. Auch die Beschaffung der benötigten Teile und Materialien in der Slowakei war aufwendig und kostete viel Zeit.

Die Inbetriebnahme der neuen robotisierten Produktionslinien war ebenfalls anspruchsvoll – insbesondere jener Roboter, die falsch programmiert waren. Hierdurch entstanden sehr komplexe, nicht nachvollziehbare Störungen. Nachdem wir einige gute Techniker gefunden hatten, welche die schlimmsten Softwarefehler eliminierten, konnten wir produzieren.

Ergebnisse:

(1) Innerhalb von fünf Monaten war der Produktionsrückstand abgearbeitet und die Lieferzuverlässigkeit (OTD) auf 90% gesteigert. Die Stornierung von Kundenaufträgen konnte um 80% gesenkt werden.

(2) Nach einem Jahr hat sich der Produktionsausstoß fast verdreifacht.

(3) Die Personalfluktuationsrate sank von 70% auf 10%.

(4) Aufbau eines fachkompetenten und leistungsstarken Teams sowie einer wertschätzenden, respektvollen Betriebskultur, Förderung der Eigeninitiative und des selbstverantwortlichen Arbeitens.

(5) Aufbau eines wöchentlichen, zuverlässigen KPI-Reportings mit z. B. EHSQ, PPM, OEE, OTTP (On-Time to Promise), OTTS (On-Time to Ship), OTTR (On-Time to Request) usw.

(6) EHSQ-Ergebnisse: keine Unfälle und Senkung der Ausschussrate von 10% auf 1%

(7) Kaum Kundenreklamationen bezüglich der Qualität (< 1%)

(8) Offen blieb als Aufgabe: Die alten verlagerten Maschinen können nicht an die gesetzlichen EU-Sicherheitsstandards angepasst werden.

Jane Enny van Lambalgen
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Donnerstag, 28. März 2024

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