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Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Metall: Restrukturierung einer deutsch-französischen Unternehmensgruppe

Branche: Metallverarbeitung, Recycling

Linienfunktionen: General Management (CRO), Finanzen (CFO)

Thema: Restrukturierung, Sanierung, Frankreich

Umsatz: ca. 350 Mio. Euro

Mitarbeiter: 700

Ausgangslage

Die Recylexgruppe, ein führendes Unternehmen im Bereich Recycling und Metallverarbeitung mit Standorten in Deutschland und Frankreich, sah sich im Zeitraum 2020-2022 mit einer existenziellen Krise konfrontiert. Als Interim-CFO und -CRO übernahm ich die Steuerung der Restrukturierung in einer Phase massiver ökonomischer und struktureller Herausforderungen. Ziel war der nachhaltige Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen, die Sanierung der Bilanz sowie die Sicherung der industriellen Zukunftsfähigkeit.

Krisenursachen

(1) Anlaufschwierigkeiten und hoher Liquiditätsverbrauch einer neuen industriellen Anlage in Deutschland: Der Start des neuen Reduktionsofens in Deutschland verlief nicht wie geplant. Technische und betriebliche Probleme führten zu Verzögerungen und einem unerwartet hohen Liquiditätsbedarf in der Hochlaufphase.

(2) Überwiegende Fremdfinanzierung: Die Finanzierung des Großprojekts (>50 M€) erfolgte zu ca. 90 % über Fremdkapital. Daraus resultierte eine massive Verschuldung und Zinsbelastung, die die finanzielle Stabilität der Gruppe stark belastete.

(3) Covenant-Brüche: Aufgrund der Projektverzögerungen, des erhöhten Mittelabflusses und rückläufiger Ergebnisse kam es zu mehrfachen Verstößen gegen vertraglich vereinbarte Finanzkennzahlen („Covenants") bei den Kreditgebern.

(4) Markt- und Rohstoffpreisentwicklung: Der Rückgang der Weltmarktpreise für Metalle führte zusätzlich zu erheblichen Margeneinbußen und belastete die Ertragslage.

(5) Covid-19-Pandemie: Die globale Pandemie verstärkte die Krise: Lieferketten wurden unterbrochen, Produktion und Absatz waren eingeschränkt, die Unsicherheit am Markt sowie die Zahlungsfähigkeit von Kunden verschärften die Situation weiter.

(6) Regulatorische Anforderungen: Insbesondere die französische Muttergesellschaft stand unter erhöhtem regulatorischem Druck, unter anderem durch die Börsenaufsicht (AMF) und Umweltauflagen (Aufwendungen für Altlasten).

(7) Unternehmenskommunikation in der Krise: Die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit führte zu Vertrauensverlust bei Gläubigern, Mitarbeitenden und am Kapitalmarkt.

Bildung einer Taskforce und Sofortmaßnahmen

Um der akuten Krisensituation wirkungsvoll zu begegnen, habe ich unmittelbar nach Übernahme der CFO-Position eine spezialisierte Taskforce unter meiner Führung aufgestellt. Diese setzte sich aus erfahrenen internen Manager*innen, externen spezialisierten Berater*innen und Anwält*innen zusammen. Mit Mitarbeitern in Schlüsselpositionen wurden "Bleibeprämien" vereinbart und liquidtätsmässig abgesichert.   

Kernaufgaben der Taskforce waren:
  • Aufsetzung eines gruppenweiten, rollierenden 13-Wochen-Liquiditätsplans zur Sicherstellung der fortlaufenden Zahlungsfähigkeit.
  • Entwicklung einer integrierten Finanzplanung für die gesamte Gruppe, um Transparenz über alle relevanten Cashflows, Investitionen und Finanzierungserfordernisse zu schaffen.
  • Durchführung eines IDW S6-Gutachtens als Sanierungsgutachten für die deutschen Einheiten und eines unabhängigen Business Reviews für die französischen Aktivitäten und die Gesamtgruppe.
  • Durchführung von "Scenariioanalysen": Transformation, Verkauf, Schliessung und Präsentaion dieser Lôsungswege an den Aufsichtsrat. 
  • Aktives Verhandeln mit den Banken zur temporären Anpassung bzw. Aussetzung einzelner Covenants ("Covenant Resets"), um kurzfristige Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und den Restrukturierungsspielraum zu erweitern.
  • Strukturierung und Einwerbung von Brückendarlehen ("Bridge Loans") seitens des Hauptaktionärs als Liquiditätspuffer.
  • Abschluss von „Stillstandsvereinbarungen" ("Standstill") mit den Hauptgläubigern in Frankreich im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens ("Conciliation"), um während der laufenden Restrukturierung keine Zwangsmaßnahmen auszulösen und Zeit für die Lösungsfindung zu sichern.

Restrukturierungsmaßnahmen

1. Strukturierter Asset Sales Process im deutschen Perimeter

  • Im Mai 2020 wurden  Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO für die operativen Tochtergesellschaften der Recylex-Gruppe eingeleitet.
  • Aufsetzen und Leitung eines strukturierten M&A-Prozesses („Asset Sales Process") gemeinsam mit der französischen Investmentbank ODDO-BHF und der deutschen SIGMA Corporate Finance.
  • Identifikation und Ansprache potenzieller Investoren im In- und Ausland für die deutschen industriellen Standorte im Rahmen eines  beschleunigten Bieterprozesses, unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines Schutzschirmverfahrens.
  • Durchführung der Transaktionen im Rahmen einer übertragenden Sanierung, um operative Geschäftseinheiten und Arbeitsplätze bestmöglich zu schützen.
  • Ergebnis: Alle industriellen Aktivitäten und Arbeitsplätze in Deutschland (5 Gesellschaften, 600 Arbeiutsplätze) konnten erhalten und an neue Eigentümer übergeben werden.

2. Krisenkommunikation und Schuldenrestrukturierung im französischen Perimeter

  • Entwicklung eines umfassenden Kommunikationskonzepts für den Finanzmarkt und enge Korridnation mit der französischen Börsenaufsicht (AMF) zur Wiederherstellung von Transparenz und Vertrauen.
  • Kommunikation mit den lokalen Behörden und enge Koordination mit dem interministeriellen Ausschuß für industrielle Umstrukturierung (CIRI). 
  • Koordination des Warnverfahrens  „Procédure d'alerte" der französischen Wirtschaftsprüfer, und Entwicklung eines Konzepts um eine frühzeitige Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und Lösungswege zu entwickeln.
  • Enge Abstimmung mit dem Hauptgläubiger und Mehrheitsaktionär Glencore International AG, um eine tragfähige Entschuldungslösung zu konzipieren.

3. Verhandlungen mit Gläubigern und Umsetzung der Veräußerung der industrielen (Seveso) Standorte in Frankreich unter Nutzung des Prepack-Verfahrens

  • Vertrauliche Verhandlungen mit den Gläubigern im Rahmen eines diskreten Schlichtungsprozesses („Procédure de Conciliation").
  • Parallele Suche nach einem industriellen Investor zur Zukunftssicherung der Standorte.
  • Vorbereitung der Veräußerung im Rahmen eines außergerichtlichen Präventionsverfahrens („Conciliation") und Umsetzung im beschleunigten Insolvenzverfahren („prépack cession"), um Nachteile eines öffentlichen Verfahrens zu vermeiden und einen nahtlosen Fortbetrieb zu gewährleisten – ein Novum bei einem börsennotierten Unternehmen in Frankreich.
  • Übertragung von zwei Seveso-Standorten, 80 Mio. Euro Umsatz und 60 Arbeitsplätzen an die belgische Industriegruppe CAMPINE.
  • Ergebnis: Erhalt aller Arbeitsplätze und Kernaktivitäten in Frankreich.

Ergebnisse und Fazit


Die tiefgreifenden Maßnahmen führten zur erfolgreichen Sanierung der Recylexgruppe:

  • Alle Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland und Frankreich blieben erhalten.
  • Die industrielle Zukunft der Standorte wurde durch den Einstieg eines strategischen Investors gesichert.
  • Das Verfahren diente als Präzedenzfall für Restrukturierungen börsennotierter Unternehmen in Frankreich und zeigte, wie durch rechtliche Innovation, internationale Koordination und klare Kommunikation eine nachhaltige Lösung in schwersten Krisenzeiten möglich ist.

Ingo Schäfer
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Presse und Veröffentlichungen:

http://news.sigma-cf.com/assets/downloads/dealinfos/Sigma_Dealinfo_20220805_Recylex_www.pdf

https://vif-management.com/wp-content/uploads/sites/5/2025/02/Ingo-Schaefer-Artikel-Prepack-Verfahren.pdf

https://www.daf-mag.fr/Thematique/fonction-finance-1242/gouvernance-strategie-2125/Breves/Recylex-retour-sur-une-restructuration-franco-allemande-384622.htm 

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Mittwoch, 02. Juli 2025

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